Schlaflos - Insomnia
Verstand versuchte, ihn davon zu überzeugen, dass es Blut war, das er auf der Klinge sah, aber er war sich ziemlich sicher, dass es sich nur um Rost handelte.
Doc Nr. 3 steckte Zeige- und Mittelfinger seiner rechten Hand in die Mundwinkel und stieß einen gellenden Pfiff aus, der wie ein Bohrer in Ralphs Kopf eindrang. Auf dem Bürgersteig zuckte Rosalie zurück und stieß ein kurzes Heulen aus.
[Schlepp deinen Kadaver hier rüber, Streuner! Auf der Stelle!]
Rosalie stand auf, klemmte den Schwanz zwischen die Beine und hinkte zur Straße. Sie winselte unentwegt, und die Angst machte ihr Hinken so schlimm, dass sie sich kaum fortschleppen konnte; bei jedem zögernden, schlurfenden Schritt drohten die Hinterbeine unter ihr wegzurutschen.
[»He!«]
Ralph merkte erst, dass er geschrien hatte, als er die kleine blaue Wolke vor seinem Gesicht schweben sah. Sie war mit spinnwebfeinen silbernen Linien durchzogen, wodurch sie wie eine Schneeflocke aussah.
Der kahlköpfige Zwerg wirbelte in die Richtung herum, aus der Ralphs Aufschrei gekommen war, und hob dabei instinktiv die Waffe. Seine Miene drückte zornige Überraschung aus. Rosalie war mit den Vorderpfoten im Rinnstein stehen geblieben und sah Ralph mit großen, ängstlichen braunen Augen an.
[Was willst du denn, Kurzer?]
Die Stimme drückte Wut über die Unterbrechung aus, Wut über die Herausforderung … aber Ralph fand, dass darunter auch noch andere Empfindungen mitschwangen. Angst? Er wünschte, er könnte es glauben. Verwirrung und Überraschung schienen wahrscheinlicher zu sein. Was auch immer diese Kreatur sein mochte, sie schien es nicht gewöhnt zu sein, von Leuten wie Ralph gesehen, geschweige denn herausgefordert zu werden.
[Was ist los mit dir, Kurzfristiger, hast du deine Zunge verschluckt? Oder hast du schon vergessen, was du wolltest?]
[»Ich will, dass du diesen Hund in Ruhe lässt!«]
Ralph hörte sich auf zwei verschiedene Weisen. Er war sich ziemlich sicher, dass er laut sprach, aber der Klang seiner Stimme war fern und blechern, wie Musik aus den Kopfhörern eines Walkmans, die vorübergehend beiseitegelegt worden sind. Hätte jemand unmittelbar neben ihm gestanden, hätte er vielleicht hören können, was Ralph sagte, aber Ralph wusste, die Worte hätten sich wie das klägliche, atemlose Keuchen eines Mannes angehört, der gerade einen Schlag in den Magen bekommen hat. In seinem Kopf jedoch hörte er sich an wie seit Jahren nicht mehr - jung, kräftig und voller Selbstvertrauen.
Doc Nr. 3 musste seine Worte auf die zweite Weise gehört haben, denn er zauderte einen Augenblick und hob erneut kurz die Waffe (Ralph war sich jetzt fast sicher, dass es sich um ein Skalpell handelte) wie zur Selbstverteidigung. Dann schien er sich wieder zu fangen. Er ging vom Bürgersteig zum Rand der Harris Avenue und blieb auf dem laubübersäten Grasstreifen zwischen Bürgersteig und
Straße stehen. Er zupfte am Bund seiner Jeans, die er unter dem schmutzigen Kittel hochzog, und sah Ralph einige Momente grimmig an. Dann hob er das rostige Skalpell in die Luft und machte eine unangenehme, vielsagende sägende Geste damit.
[Du kannst mich sehen - tolle Geschichte! Steck deine Nase nicht in Dinge, die dich nichts angehen, Kurzfristiger! Der Köter gehört mir!]
Der kahlköpfige Doc drehte sich wieder zu dem sich ängstlich duckenden Hund um.
[Ich habe es satt, mich mit dir rumzuärgern, Streuner! Komm hierher! Sofort!]
Rosalie schenkte Ralph einen flehenden, verzweifelten Blick und begann, die Straße zu überqueren.
Ich mische mich nicht in langfristige Angelegenheiten ein, hatte der alte Dor an dem Tag zu ihm gesagt, als er ihm den Gedichtband von Stephen Dobyns gegeben hatte. Ich habe dir gesagt, dass du es auch nicht tun solltest.
Ja, das hatte er tatsächlich, aber Ralph hatte das Gefühl, dass es jetzt zu spät war. Und selbst wenn nicht, er hatte keineswegs die Absicht, Rosalie diesem unangenehmen kleinen Gnom zu überlassen, der auf der anderen Straßenseite vor der Münzwäscherei stand. Das hieß, nicht, wenn er es verhindern konnte.
[»Rosalie! Komm hierher, Mädchen! Bei Fuß!«]
Rosalie stieß ein kurzes Bellen aus und kam zu Ralph getrottet. Sie versteckte sich hinter seinem rechten Bein, setzte sich und sah hechelnd zu ihm auf. Und Ralph sah noch einen Ausdruck, den er mühelos lesen konnte: ein Teil Erleichterung und zwei Teile Dankbarkeit.
Das Gesicht von Doc Nr. 3 verzerrte sich zu einer so hasserfüllten Grimasse, dass es fast
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