Schlaflos - Insomnia
- das war der Plan -, aber ich hatte gehofft, wenn ich es verschieben würde, könnte Jimmy V. mitspielen. Aber er ist immer noch im Krankenhaus, und wenn ich noch lange warte, wird es zu kalt sein, um draußen zu spielen, und wir müssen es wie 90 im Hinterzimmer von Duffy Spragues Friseurladen machen.«
»Was ist denn mit Jimmy V.?«
»Der Krebs ist wieder ausgebrochen«, sagte Faye, dann fügte er mit gedämpfter Stimme hinzu: »Ich glaube, diesmal hat er nicht mehr Chancen ihn zu besiegen als ein Schneeball in der Hölle.«
Ralph verspürte einen plötzlichen und überraschend heftigen Anflug von Traurigkeit angesichts dieser Neuigkeit. Er und Jimmy Vandermeer hatten sich während ihres »wirklichen Lebens« gut gekannt. Damals waren beide auf Achse gewesen, Jimmy im Verkauf von Süßigkeiten und Grußkarten, Ralph mit Druckereibedarf und Papierprodukten, und sie hatten sich so gut verstanden, dass sie sich bei mehreren Fahrten durch Neuengland zusammengetan hatten, abwechselnd gefahren waren und sich deshalb luxuriösere Unterkünfte leisten konnten, als es jedem auf sich allein gestellt möglich gewesen wäre.
Darüber hinaus hatten sie die einsamen, unbedeutenden Geheimnisse von Handlungsreisenden geteilt. Jimmy erzählte Ralph von der Hure, die ihm 1958 seine Brieftasche
gestohlen hatte, und wie er seine Frau deshalb belügen und behaupten musste, ein Anhalter hätte ihn ausgeraubt. Ralph erzählte Jimmy, wie er im Alter von dreiundvierzig Jahren gemerkt hatte, dass er terpinhydratsüchtig geworden war, und von seinem schmerzlichen, aber letztlich erfolgreichen Versuch, die Sucht zu überwinden. Er hatte Carolyn ebenso wenig von seiner bizarren Hustensaftabhängigkeit erzählt wie Jimmy V. seiner Frau von seinem letzten Strichmädchen.
Jede Menge Reisen; jede Menge Reifenwechsel; jede Menge Witze über Handlungsreisende und bildhübsche Farmerstöchter; jede Menge nächtlicher Gespräche, die nicht selten bis in die frühen Morgenstunden gedauert hatten. Manchmal redeten sie von Gott, manchmal vom Finanzamt. Alles in allem war Jimmy Vandermeer ein verdammt guter Kumpel gewesen. Dann hatte Ralph seinen Schreibtischjob in der Druckerei bekommen und den Kontakt zu Jimmy verloren. Erst hier draußen hatte er die Verbindung wieder aufleben lassen, und an einigen anderen vagen Orientierungspunkten im Derry der Altsemester - der Bücherei, der Billardhalle, dem Hinterzimmer von Duffy Spragues Friseurladen, vier oder fünf anderen. Als Jimmy ihm nach Carolyns Tod erzählt hatte, er hätte Krebs mit einem Lungenflügel weniger, ansonsten aber gut überstanden, war Ralph sofort das Bild des Mannes in Erinnerung gekommen, wie er eine glimmende Camelkippe nach der anderen an den Fahrtwind verfütterte, der am schräg gestellten Seitenfenster des Autos vorbeirauschte, und dabei über Baseball oder Angeln sprach.
Ich hab Glück gehabt, hatte er gesagt. Ich und der Duke, wir haben beide Glück gehabt. Aber offenbar war weder
ihm noch John Wayne das Glück treu geblieben. Nicht dass es am Ende überhaupt jemandem treu blieb.
»O Mann«, sagte Ralph. »Das ist wirklich traurig.«
»Er ist schon seit fast drei Wochen im Derry Home«, sagte Faye. »Bekommt Bestrahlungen und schluckt Gift, das eigentlich den Krebs töten soll, einen aber fast selbst umbringt. Überrascht mich, dass du das nicht gewusst hast, Ralph.«
Dich vielleicht, aber mich nicht. Weißt du, die Schlaflosigkeit verschluckt so manches. An einem Tag vergisst man, wo die letzte Tüte Cup-A-Soup abgeblieben ist; am nächsten Tag kommt einem das Zeitgefühl abhanden; am Tag danach vergisst man seine alten Freunde.
Faye schüttelte den Kopf. »Scheißkrebs. Unheimlich, wie er wartet.«
Ralph nickte und musste an Carolyn denken. »In welchem Zimmer liegt Jimmy, weißt du das? Vielleicht gehe ich ihn besuchen.«
»Zufällig weiß ich es. 315. Glaubst du, du kannst es dir merken?«
Ralph grinste. »Jedenfalls eine Weile.«
»Besuch ihn, wenn du kannst, klar - sie haben ihn ziemlich unter Drogen gesetzt, aber er weiß noch, wer zu ihm kommt, und ich wette, er würde sich freuen, dich zu sehen. Er hat mir mal erzählt, dass ihr beide früher eine tolle Zeit miteinander gehabt habt.«
»Na ja, du weißt ja«, sagte Ralph. »Zwei Männer auf Achse, das ist eigentlich schon alles. Wenn wir in einem Restaurant eine Münze um die Rechnung geworfen haben, hat Jimmy V. immer verloren.« Plötzlich war ihm zum Weinen zumute.
»Beschissen, was?«, sagte Faye
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