Schlaflos - Insomnia
schlimm wurde, dass ich dachte, ich könnte es nicht mehr ertragen, bin ich zu ihm gegangen und habe ihm alles erzählt. Ich habe angenommen, er würde mir Schlaftabletten verschreiben, aber er sagte, er könnte nicht einmal das tun - ich habe manchmal Herzrhythmusstörungen, und Schlaftabletten können das verschlimmern.«
»Wann warst du bei ihm?«
»Anfang letzter Woche. Dann rief mich gestern aus heiterem Himmel mein Sohn Harold an und sagte mir, er und Janet wollten mich zum Frühstück einladen. Unsinn, sagte ich, in der Küche finde ich mich immer noch zurecht. Wenn ihr den ganzen Weg von Bangor hierher kommt, sagte ich, mache ich uns eine nette Kleinigkeit zu essen, und damit
basta. Wenn ihr danach mit mir ausgehen wollt - ich dachte an das Einkaufszentrum, weil ich da immer gern hingehe -, wäre das in Ordnung. Genau das habe ich gesagt.«
Sie drehte sich mit einem Lächeln zu Ralph um, das verkniffen und verbittert und grimmig war.
»Ich habe mich nicht gefragt, warum sie mich beide an einem Wochentag besuchen kommen wollten, wo sie doch beide arbeiten gehen - und sie müssen die Jobs wirklich lieben, weil sie nie über etwas anderes reden. Ich dachte nur, wie süß es war … wie rücksichtsvoll … und ich strengte mich ganz besonders an, gut auszusehen und alles richtig zu machen, damit Janet nicht denken sollte, ich hätte Probleme. Ich glaube, das wurmt mich am meisten. Die dumme alte Lois, ›unsere Lois‹, wie Bill immer sagt … mach nicht so ein überraschtes Gesicht, Ralph! Natürlich wusste ich das; glaubst du, ich bin erst gestern aus dem Urwald gelockt worden? Und er hat recht. Ich bin eine Närrin, ich bin dumm, aber das bedeutet nicht, dass ich nicht wie alle anderen Kummer empfinde, wenn ich zum Narren gemacht werde …« Sie fing wieder an zu weinen.
»Selbstverständlich«, sagte Ralph und tätschelte ihr die Hand.
»Du hättest dich totgelacht, wenn du mich gesehen hättest«, sagte sie. »Ich habe um vier Uhr morgens Kürbismuffins gebacken, um Viertel nach vier Champignons für ein italienisches Omelett geschnitten, um halb fünf mit dem Make-up angefangen, nur um sicher zugehen, ganz sicher , dass Jan nicht mit ihrem ›Bist du dir sicher, dass du dich wohlfühlst, Mutter Lois?‹ anfängt. Ich hasse es, wenn
sie mir mit diesem Quatsch kommt. Und weißt du was, Ralph? Sie wusste die ganze Zeit, was mit mir los ist. Sie wussten es beide . Man kann wohl sagen, dass der Witz auf meine Kosten gegangen ist, was?«
Ralph hatte gedacht, er hätte ihr aufmerksam zugehört, aber offenbar hatte er irgendetwas nicht mitbekommen. »Wussten es? Wie konnten sie es wissen?«
»Weil Litchfield es ihnen gesagt hat!«, schrie sie. Sie verzerrte wieder das Gesicht, aber diesmal sah Ralph keinen Schmerz und keinen Kummer darin, sondern eine schreckliche, klägliche Wut. »Dieser dreckige alte Petzer hat meinen Sohn angerufen und IHM ALLES ERZÄHLT!«
Ralph war wie vor den Kopf gestoßen. »Lois, das kann er nicht machen«, sagte er, als er endlich wieder sprechen konnte. »Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient ist … nun, es ist vertraulich. Das müsste dein Sohn wissen, schließlich ist er Anwalt, und für die gilt dasselbe. Ärzte dürfen keinem sagen, was sie von ihren Patienten erfahren, wenn der Patient nicht …«
»O Himmel«, sagte Lois und verdrehte die Augen. »Himmel Herrgott noch mal. In was für einer Welt lebst du denn, Ralph? Leute wie Litchfield tun das, was sie für richtig halten. Ich glaube, das habe ich immer gewusst, und deshalb war es doppelt dumm von mir, überhaupt zu ihm zu gehen. Carl Litchfield ist ein eitler, arroganter Mann, dem mehr daran liegt, wie er mit seinen Hosenträgern und Designerhemden aussieht, als an seinen Patienten.«
»Das ist schrecklich zynisch.«
»Und schrecklich wahr, das ist das Traurige daran. Weißt du was? Er ist fünfunddreißig oder sechsunddreißig, und
irgendwie scheint er der Meinung zu sein, wenn er vierzig wird, wird er einfach … aufhören. Vierzig bleiben, solange er will. Er glaubt, dass Leute alt sind, wenn sie die sechzig erreicht haben, und dass selbst die besten spätestens mit achtundsechzig senil geworden sind; und wenn man erst einmal über achtzig ist, wäre es ein Akt der Barmherzigkeit, wenn die Verwandten einen diesem Sterbehelfer Dr. Kevorkian übergeben würden. Kinder haben kein Recht, etwas vor ihren Eltern geheim zu halten, und was Litchfield betrifft, haben alte Knacker wie wir kein Recht, etwas vor unseren
Weitere Kostenlose Bücher