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Schlaflos - Insomnia

Titel: Schlaflos - Insomnia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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geweint, ich weiß nicht, wie ich damit fertiggeworden wäre -, kam eine Frau herein. Zuerst dachte ich, sie müsste im falschen Zimmer sein, weil ich sie überhaupt nicht kannte, und als mir endlich in den Kopf ging, dass sie mich sehen wollte, sagte ich ihr, dass ich keine Besucher wünschte. Sie beachtete das gar nicht. Sie machte die Tür zu und hob den Rock, damit ich ihren linken Schenkel sehen konnte. Eine tiefe Narbe verlief darauf, von der Hüfte bis fast ganz hinunter zum Knie.
    Sie sagte, ihr Name sei Gretchen Tillbury, sie sei Beraterin für misshandelte Ehefrauen bei WomanCare, und ihr Mann habe ihr 1978 mit einem Küchenmesser das Bein aufgeschlitzt. Sie sagte, wenn der Mann aus der Wohnung unter ihr keinen Druckverband angelegt hätte, wäre sie verblutet. Ich sagte ihr, das täte mir sehr leid, ich wollte aber erst über meine eigene Situation sprechen, wenn ich
Gelegenheit gehabt hätte, darüber nachzudenken.« Nach einer Pause fuhr Helen fort: »Aber weißt du, das war eine Lüge. Ich hatte genügend Zeit gehabt, darüber nachzudenken, denn Ed hatte mich zum ersten Mal vor zwei Jahren geschlagen, kurz bevor ich mit Nat schwanger wurde. Ich habe es einfach … verdrängt.«
    »Ich verstehe, dass man das tun kann«, sagte Ralph.
    »Diese Frau … nun, sie müssen Leuten wir ihr Unterricht geben, wie man die Abwehrhaltung anderer durchdringt.«
    Ralph lächelte. »Ich glaube, darin besteht ihre halbe Ausbildung.«
    »Sie sagte, ich könnte es nicht hinausschieben, ich befände mich in einer schlechten Lage und müsste mich auf der Stelle damit auseinandersetzen. Ich sagte, was immer ich tun würde, ich müsste es nicht vorher mit ihr besprechen oder mir ihren Mist anhören, nur weil ihr Mann sie einmal geschnitten hatte. Ich hätte fast gesagt, dass er es wahrscheinlich getan hatte, weil sie nicht aufhörte, zu reden und ihn nicht in Frieden ließ, kannst du dir das vorstellen? Aber ich war echt sauer, Ralph. Verletzt … verwirrt … beschämt … aber zum größten Teil einfach stinksauer.«
    »Ich glaube, das ist eine ziemlich normale Reaktion.«
    »Sie fragte mich, was ich von mir halten würde - nicht von Ed, sondern von mir -, wenn ich die Beziehung fortsetzen und Ed mich wieder verprügeln würde. Und sie fragte mich, was ich von mir halten würde, wenn ich zu ihm zurückginge und Ed dasselbe mit Nat machen würde. Das machte mich wütend. Es macht mich immer noch wütend. Ed hat ihr nie auch nur ein Haar gekrümmt,
und das habe ich ihr gesagt. Sie nickte und antwortete: ›Das heißt nicht, dass er es nicht einmal tun könnte , Helen. Ich weiß, Sie wollen nicht darüber nachdenken, aber Sie müssen. Nehmen wir einmal an, Sie haben recht. Angenommen, er gibt ihr niemals auch nur einen Klaps auf die Hand. Möchten Sie, dass sie aufwächst und zusehen muss, wie er Sie schlägt? Soll sie aufwachsen und so etwas mit ansehen, was sie heute mit ansehen musste?‹ Und das brachte mich zur Besinnung. Eiskalt. Ich erinnerte mich, wie Ed ausgesehen hatte, als er hereinkam … dass ich wusste, als ich sein weißes Gesicht sah … wie er den Kopf bewegte …«
    »Wie ein Hahn«, murmelte Ralph.
    »Was?«
    »Nichts. Sprich weiter.«
    »Ich weiß nicht, was ihn zur Raserei gebracht hat … neuerdings weiß ich das nie, aber ich wusste, er würde es an mir auslassen. Wenn er an einem bestimmten Punk angelangt ist, kann man nichts mehr tun oder sagen, um es zu verhindern. Ich lief zum Schlafzimmer, aber er packte mich an den Haaren … er hat mir ein ganzes Büschel ausgerissen … ich schrie … und Natalie saß da in ihrem Hochstuhl … saß da und beobachtete uns … und als ich schrie, schrie sie auch...«
    Da brach Helen zusammen und schluchzte hemmungslos. Ralph wartete, die Stirn an den Rahmen der Tür zwischen Küche und Wohnzimmer gelehnt. Mit dem Geschirrtuch, das er über der Schulter hängen hatte, wischte er sich, fast ohne es zu merken, selbst die Tränen weg.
    »Wie auch immer«, sagte Helen, als sie wieder sprechen konnte, »ich redete schließlich fast eine Stunde mit dieser
Frau. Sie nennen es Opferberatung, und sie verdient ihren Lebensunterhalt damit, kannst du dir das vorstellen?«
    »Ja«, sagte Ralph, »das kann ich. Es ist eine gute Sache, Helen.«
    »Ich werde mich morgen wieder mit ihr treffen, bei WomanCare. Weißt du, es ist reine Ironie, dass ich dorthin gehe. Ich meine, wenn ich die Petition nicht unterschrieben hätte …«
    »Wenn es die Petition nicht gewesen wäre, dann etwas

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