Schlaflos
glauben?«
»Ich gebe zu, es ist nicht ganz uneigennützig«, räumte er
ein.
»Ach!«
Madeleine kniff die Lippen zusammen. Irinas Andeutungen
verärgerten sie. Sie hatte grade erst beschlossen, dass sie diesem Mann
vertrauen konnte, und nahm der Hexe ihre Warnung übel.
»Ich muss wissen, was du mit Madeleines Erinnerungen anfangen
willst. Erst wenn ich deine Motive kenne, kann ich entscheiden, ob ich euch
helfen darf.«
Armand erzählte von seinem Plan. Er erwähnte Bastien nur als
Gefahr für Madeleines Freiheit und das Wort Rache vermied er gänzlich. Ihr fiel
ein, dass sie keine Ahnung hatte, wodurch Bastien Armands Verdammnis verursacht
hatte. Sie nahm sich vor, zu fragen, sobald sie wieder alleine waren.
Kaum kam Armand auf den Gegenstand der Macht zu
sprechen, sprang die Hexe vom Kaffeetisch auf, als habe jemand sie mit einer
Mistgabel gestochen. Sie packte die leeren Kaffeetassen und die übrigen
Utensilien auf ein Tablett und eilte damit in die Küche, als könnte sie es
keine Minute länger in dem kleinen Esszimmer aushalten.
Armand folgte ihr. Madeleine hörte Geschirr klappern und wie
er auf sie einredete.
»Aber du tust etwas Positives! Positiver geht es gar nicht!
Verdammt, Irina, bleib wenigstens stehen und hör mir zu!«
Die Antwort war ein fernes Brummeln, dass sie nicht verstand.
Madeleine hielt es nicht länger am Tisch. Schließlich ging es um ihr
Gedächtnis! In der offenen Küchentür blieb sie stehen, ferngehalten von Irinas
blitzenden Augen. Dabei galt der Zorn der Hexe, die mit verschränkten Armen am
Spülbecken stand, nicht ihr.
»Für wie dumm hältst du mich? Natürlich! Ich helfe dir das
Artefakt zu finden, dass es dir erlaubt, deine Kräfte zu erhalten. Und du wirst
es brav zu den Erzengeln bringen, in der vagen Hoffnung, dass sie dich gnädig
wieder aufnehmen. Willst du mich verarschen?«
Madeleine starrte fassungslos die wutschnaubende Hexe an und
zweifelte an ihrem eigenen Verstand. Die Idee, Armand könnte den Gegenstand der
Macht für sich selbst wollen, war ihr nicht einmal gekommen! Wie konnte sie
nur, nach allem, was ihr widerfahren war, so unbedarft sein?
Das Herz tat ihr weh, bei der Erinnerung, wie sie sich
geliebt hatten. War es also doch passiert? War sie schon wieder einem
machtbesessenen Scheusal verfallen? Sie fühlte sich plötzlich schwindelig und
schwach, und das lag nicht an der Abendsonne, die golden durch das
Küchenfenster fiel.
»Ich sage die Wahrheit!«
Armand klang, als könnte er seine Worte allein mit der Kraft
seiner Stimme in Stein meißeln. Irina blickte ungerührt zu ihm auf.
»Dann bist du ja wohl bereit, das zu beweisen!«
Der Schädel ragte, auf seinem dürren Knochenhals sitzend,
geradewegs aus der massiven Felswand heraus. Im Schein der Fackeln schien es
Madeleine, als folgten die leeren Augenhöhlen ihren Bewegungen. Sie fröstelte,
seit sie die Höhle betreten hatte. Die feuchte Dunkelheit war nicht der Grund,
für ihr Unbehagen. Nach dem Sonnenschein draußen sollte sie den Aufenthalt hier
unten genießen. Es war die Gegenwart weißer Magie, die sie schaudern ließ.
Madeleine beäugte das, was einmal der Kopf eines recht großen
Tieres gewesen sein mochte. »War das ein Pferd?«, fragte sie, an Irina gewandt.
Ein heiseres Lachen hallte in den Winkeln der Grotte wider,
schien von überall und nirgendwo zu kommen. Madeleine blickte sich erschrocken
um. Jemand musste ihnen in die Tiefe gefolgt sein.
»Du hast Glück, dass ich Sinn für Humor habe, Schlaflose.«
Bestürzt starrte sie den Tierkopf an. Sein Kiefer hatte sich
bewegt!
»Das ist Vero«, beeilte sich die Hexe zu erklären. »Schon zu
seinen Lebzeiten war er eine berühmte Persönlichkeit. Sogar unter den Drachen,
die für ihre Zuverlässigkeit geachtet sind, war er ein Muster an
Wahrhaftigkeit. Deshalb bat ihn ein weiser Druide, nach seinem Tod einen
winzigen Teil seiner Selbst auf Erden zurückzulassen, um weiter der Wahrheit zu
dienen.«
Madeleine rechnete damit, dass jeden Augenblick jemand aus
einer Ecke hervorsprang und »April, April« rief. Der Drachenkopf wandte sich Irina
zu. »Was führt euch zu mir?
»Dieser Gefallene möchte meine Dienste in Anspruch nehmen.
Aber ich habe Zweifel an seinen Motiven. Deshalb bitte ich dich, die
Wahrhaftigkeit seiner Absichten zu prüfen.«
Schallendes Gelächter hallte durch das Gewölbe.
»Die Wahrhaftigkeit eines gefallenen Engels!«
Der Schädel mochte sich gar nicht beruhigen. Madeleine sah
förmlich, wie er sich
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