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Schlafwandler

Schlafwandler

Titel: Schlafwandler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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nur?
»Treffen Sie Vorsichtsmaßnahmen, wenn Sie sich dann
sicherer fühlen«, antwortete er allen gleich.
»Aber ich kann Ihnen sagen, dass von Schleicher alles in
seiner Macht Stehende tun wird, um die Nazis zu vernichten.«
Glauben Sie jedoch nicht, dass … ist es nicht möglich,
dass … könnte es nicht sein, dass … wenn, was
Gott verhüten möge … Schließlich hätte
Kraus am liebsten laut herausgeschrien. Wofür haltet ihr mich,
für den Großen Gustave? Woher soll ich wissen, was die
Zukunft bringt?
    In dem Weihnachtsspiel
wurde die Geschichte von Hanukkah gefeiert. Die Revolte der
Hebräer gegen die Griechen. Das Wunder der Tempellampe, die
acht Tage lang brannte, statt nur einen Tag. Die Lieder, die
Tänze, all das kam der Menge beklommener jüdischer
Eltern, die die Aula füllten, besonders warm und herzlich vor.
Und auch Kraus bildete da keine Ausnahme. Während der
Vorstellung drehte er sich zu Ava herum, die neben ihm saß.
Ihre ruhige Miene wurde von der Nervosität, mit der sie auf
dem Stuhl hin und her rutschte, Lügen gestraft.
    Ja , gab sie ihm wortlos mit einem
einzigen Blick zu verstehen. Es ist alles
arrangiert.
    »Und deine
Eltern? Wissen sie es schon?«, flüsterte er.
    Sie nickte
heftig.
    Die große
Konfrontation fand später statt, im Haus der Gottmanns in
Dahlem.
    »Es geht nicht
darum, dass ich Angst hätte, dass die Nazis die Macht an sich
rissen«, betonte er. »Ich bin in eine Mordermittlung
verstrickt, die eine ziemlich bedrohliche Wendung genommen hat. Die
Leute, hinter denen ich her bin, könnten sehr wohl den Versuch
machen, mich dadurch einzuschüchtern, dass sie meine Familie
bedrohen.«
    »Diese Leute
– sind das Nazis?« Max Gottmann schien keinen Zweifel
an der Antwort zu haben.
    Kraus ersparte sie
sich.
    »Glaubst du
wirklich, dass Mutti und ich auch gehen sollten?«
    »Ich könnte
einen Polizisten als Wache für das Haus abstellen. Ich glaube,
um dein Geschäft brauchst du dir keine Sorgen zu
machen.«
    »Und was ist mit
dir?« Es überraschte Kraus, dass seine Schwiegermutter
ihn mit einem Blick ansah, in dem echte Angst lag.
    »Ich? Ich bin
der Letzte, um den du dir Sorgen machen musst,
Mutter.«
    Stefan nahm die
Neuigkeiten ganz gut auf. »O Mann, nach Paris in die
Ferien.«
    Sein älterer
Bruder jedoch sah sich ernst, beinahe traurig um. »Warum habe
ich das Gefühl, als würden wir diesen Ort niemals
wiedersehen?«
    »Unsinn.«
Kraus drückte Erichs Schulter. »Ich habe dir doch
gesagt, dass es nur so lange dauert, bis ich die Bösewichte
gefangen habe.«
    Aber er vergaß
nicht, Ava eine kleine Reisetasche für die Fahrt mitzugeben,
in der sich die Dokumente und Erbstücke seiner Familie
befanden.
    Seine Wohnung war
dunkel, als er nach Hause kam. Das Gefühl gefiel ihm gar
nicht. Paula hatte eine Nachricht auf dem Tisch
hinterlassen. Übernachte heute bei mir
zu Hause. Ich musste ein paar Dinge erledigen. Für morgen ist
alles bereit – die Jacht setzt gegen Mittag die Segel. Hol
mich um elf ab. Und vergiss nicht … du musst wie ein Nazi
aussehen!     
    Er hängte seinen
Mantel an den Haken und ging ins Schlafzimmer. Kaum hatte er das
Licht angeschaltet, wusste er, dass etwas nicht stimmte. Sein
Schreibtisch. Die Bücher. Sie waren durcheinandergeraten.
Instinktiv fuhr er herum. Aber in seiner Wohnung war niemand
außer ihm. Er sah überall nach. Als er dann
zurückkam und sich an den Schreibtisch setzte, war ihm klar,
dass er nicht unter Verfolgungswahn litt. Jemand hatte seine
Schubladen durchwühlt. Der weiße Umschlag, in dem er
immer ein paar hundert Mark aufbewahrte, war verschwunden. Er schob
die Schublade zu und starrte die Wand an. Ihm war, als hätte
er eine Kugel in den Bauch bekommen. Warum stahl sie sein Geld,
wenn sie doch wusste, dass er es ihr mit Freuden geschenkt
hätte?

ZWÖLF
    Am Ende etlicher
dunkler Gänge des Polizeipräsidiums führte eine
Doppeltür zur geheimnisvollen Abteilung K, in der die
Kriminalbeamten sich nicht nur Ausweispapiere, sondern komplett
neue Garderobe und alles andere beschaffen konnten, was für
ein Inkognito bei einer Ermittlung notwendig war. Um acht Uhr
morgens tauchte Kraus dort auf, um sich, wenn auch nicht in einen
Nazi, so wenigstens in einen wohlhabenden Fabrikbesitzer aus der
Industriestadt Essen verwandeln zu lassen. Sein dunkles, lockiges
Haar verschwand unter einer Perücke aus hellbraunem Haar,
seine Augen wurden von einer Hornbrille mit gefärbten
Gläsern verdeckt. Aber wirklich beeindruckend war,

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