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Schlafwandler

Schlafwandler

Titel: Schlafwandler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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hell erleuchtet, schallendes Gelächter drang aus den
Fenstern zu ihnen herüber. Eine Tanzkapelle spielte laut,
Frauen kreischten. Kraus drehte sich fast der Magen um. All diese
Schweine genossen das Leben in vollen Zügen. Und wo war Paula?
Was taten sie ihr an?
    Wenigstens würden
sie Gustave bekommen. Der Gedanke tröstete ihn. Der König
der Mystiker hatte seinen letzten Schlafwandler auf eine Reise ohne
Wiederkehr geschickt. Aber wenn er nun nicht
kooperierte?
    »Gunther, nimm
meine Schlüssel, fahr in meine Wohnung und hol meinen
Fotoapparat. Er liegt im vorderen Schrank. Und vergiss die
Blitzlichter nicht.«
    Während Gunther
unterwegs war, setzte Kraus die Kälte allmählich zu. Im
Krieg hatte er Wochen im Freien verbracht. Aber das war bereits
fünfzehn Jahre her. Er war kein Kind mehr. Seine Hände
und Füße wurden allmählich taub. Noch mehr
Unterkühlung. Er musste an Paula denken. Gott allein wusste,
was sie bereits alles hatte ertragen müssen.
    Es dauerte fast eine
Dreiviertelstunde, bis Gunther zurückkehrte. Zum Glück
hatte er eine Thermoskanne mit der heißen Brühe dabei,
die er am Morgen zubereitet hatte. Kraus war ihm sehr dankbar. Aber
selbst die köstliche Wärme, die ihm durch die Kehle in
den Magen rann, konnte ihn nicht aufheitern. Kai hatte seine
Fähigkeiten überschätzt.
    »Keine Sorge,
Chef.« Gunther schien seine Gedanken lesen zu können.
»Gustave wird so oder so gefasst werden … und zwar in
einem Netz, das er selbst gesponnen hat.«
    Im Haus sangen sie aus
voller Kehle ein Nazilied.
    Deutschland,
erwache aus deinem Albtraum
    Erhebe dich gegen
die Juden!
    Die Lautstärke
schwoll an, als die Haustür geöffnet wurde.
    Im Licht tauchte eine
Erscheinung auf: Kai in seinem weißen Smoking …
gefolgt von einem Mann in einem schimmernden, schwarzen Umhang.
Gustave! Kraus und Gunther kauerten sich weiter in die Schatten,
als die beiden die Straße überquerten. Gustave trug
seine weißen Handschuhe, hielt einen Gehstock in einer Hand
und sah sich beiläufig um, als würde er nur kurz frische
Luft schnappen.
    Stets ein Heuchler,
dachte Kraus.
    »Der Junge ist
wirklich gut, dass müssen Sie zugeben, Chef, oder?«,
flüsterte Gunther.
    »Ich will
verdammt sein«, sagte Kraus und sah, wie sie den Park
betraten. »Ist die Kamera bereit?«
    Der Rest war ein
Kinderspiel.
    Als sie im Dunkeln
standen, lehnte sich Gustave an einen Baum und öffnete
beiläufig den Reißverschluss seines Smokings. Gunther
wollte eingreifen, aber Kraus hielt ihn auf. Noch eine Sekunde,
dann hatte Kraus den Hypnotiseur genau da, wo er ihn haben
wollte.
    Das Blitzlicht flammte
auf.
    Der König der
Mystiker drehte sich zu dem Licht herum. Sein Gesicht wirkte wie
ein Standbild aus einem Stummfilm-Melodram. Die Augen traten ihm
fast aus den Höhlen, er hatte den Mund weit
aufgerissen.
    Als würde er
soeben von einem Güterzug überrollt.

ZWANZIG
    »Sie machen wohl
Witze! Wenn Sie nicht bei der Sittenpolizei sind … es muss
doch … Moment mal … Ich kenne Sie doch! Sind Sie
nicht …?«
    »Kriminalpolizei.«
Kraus zeigte ihm seine Dienstmarke. »Sie sind verhaftet wegen
des Verdachts auf Entführung.«
    »Unmöglich!«
    »Wir wissen
alles, mein Freund. Angefangen von dem tschechischen Radteam bis
hin zu Melina von Auerlicht.«
    Kraus nickte Gunther
zu. Zum ersten Mal seit Tagen empfand er so etwas wie echtes
Vergnügen.
    »Legen Sie ihm
Handschellen an.«
    »Aber Sie sind
verrückt … Ich weiß nichts von irgendwelchen
Entführungen!«
    Sie schafften ihn in
seine vornehme Wohnung in der Kronprinzenstraße.
    Das französische
Dienstmädchen schien sofort zu begreifen, was da vor sich
ging, und rannte zum Telefon.
    Kraus trat ihr in den
Weg. »Nein, nein … ma
chérie .«
    Die Wohnung schien von
den Kulissenbauern des Films Das Cabinett des Dr.
Caligari entworfen worden zu sein.
Wände und Decken waren schwarz gestrichen und mit
fluoreszierenden, okkulten Symbolen verziert. Scheinwerfer tauchten
alles in bedrohliche Schatten. Gustaves dreieckiges Büro war
mit Halbedelsteinen und Kristallen übersät, sein
Schreibtisch, der etwa so groß war wie der des
Reichskanzlers, bestand vollkommen aus Glas.
    Kraus schob den
Hypnotiseur in den Drehstuhl hinter dem Schreibtisch und zog eine
Pistole heraus.
    »Herr Spanknobel
… Falls das überhaupt Ihr richtiger Name ist …
Öffnen Sie Ihren Safe, und kommen Sie nicht auf komische
Gedanken.«
    »Hören Sie,
Kraus, Sie tun mir unrecht. Ich bin kein Krimineller. Ich
weiß nur,

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