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Schlafwandler

Schlafwandler

Titel: Schlafwandler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grossman
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wie man die Kraft der Suggestion einsetzt. Ich kann
mich in Trance versetzen und sehe Dinge, die andere nicht sehen
können. Aber weitere Tricks gibt es da nicht. Es hat nichts
mit Magie zu tun. Ich will niemanden zum Narren halten. Am
allerwenigsten …«    
    »Öffnen Sie
den Safe!« Kraus hob die Pistole.
    Gustave nahm ein
Ölgemälde von der Wand, es zeigte ihn selbst, und
dahinter kam ein Safe zum Vorschein.
    »Meine Macht ist
eine große Gabe, Herr Inspektor. Ich benutze sie, um Leuten
zu helfen. Ich kann sie auch einsetzen, um Ihnen zu helfen
…«
    Kraus musste
lachen.
    Der Mann, der
ungezählte Millionen mit seiner Hellseherei verdient hatte,
der Wien und Berlin mit seinem Charme eingewickelt hatte, Hitler
Nachhilfestunden in Massenpsychologie gegeben hatte und der
über die Havel gesegelt war wie ein babylonischer Monarch,
bemühte sich jetzt um einen Kuhhandel.
    Kraus deutete mit der
Pistole auf Gustaves Kopf. »Machen Sie diesen gottverdammten
Safe auf.«
    Die Dokumente in dem
Panzerschrank waren zwar höchst faszinierend, aber auf ihnen
fanden sich nicht die Namen und Adressen, die Kraus suchte. Hermann
Göring – 20 000 … Joseph Goebbels – 25 000
… Rudolf Heß …
    »Allmächtiger, gibt es
einen Nazi in Deutschland, der Ihnen kein Vermögen
schuldet?«
    »Ist es ein
Verbrechen, wenn man seinen Freunden Geld leiht?«
    »Das kommt ganz
auf die Freunde an, Spanknobel.«
    »Sie
missverstehen das vollkommen, Herr Inspektor. Es sind
hauptsächlich Spielschulden. Ein paar Kredite für
Wohnungsrenovierungen. Göring musste eine Anzahlung für
Carinhall leisten. Die Nationalsozialisten hatten es in den letzten
Jahren ziemlich schwer.«
    Kraus war sich sehr
deutlich bewusst, dass Paula jede Sekunde, die er hier
verschwendete, länger eine Gefangene war.
    »Zum Alex mit
ihm! Finden wir heraus, ob ein Vorgeschmack auf ein Leben hinter
Gittern ihn nicht davon überzeugen kann, dass es klüger
wäre, mit uns zu kooperieren.«
    »Was ist mit
ihr?« Gunther deutete auf das vollkommen verängstigte
Dienstmädchen.
    »Sie kommt mit.
Niemand darf erfahren, dass der Große Gustave verschwunden
ist.«
    »Das wird einige
Nazis bestimmt freuen«, bemerkte Gunther. »Bei dem
ganzen Geld, das sie ihm schulden.«
    Auf dem Weg zum
Polizeipräsidium beharrte Gustave darauf, dass sie ihm unrecht
taten. Als sie ihn durch die dunklen Gänge zu den Arrestzellen
tief unter dem Alex führten, wurde er immer aufgeregter.
»Sie machen einen großen Fehler. Sobald sie merken,
dass ich verschwunden bin, werden sie sich auf Sie stürzen,
Kraus. Aber ich schlage Ihnen einen Handel vor
…«
    »Sie vergessen
die Fotos, die ich von Ihnen gemacht habe, Gustave. Sehr
kompromittierende Fotos.«
    »Machen Sie
Witze? Die Hälfte von denen …«
    Kraus schlug ihm die
Zellentür vor der Nase zu.
    »Kraus! Verdammt
… Dafür ziehe ich Sie zur
Verantwortung!«
    Kraus sah auf die Uhr.
Es war bereits nach Mitternacht. Er musste schlafen, aber das
konnte er nicht.
    Es war viel zu viel

    Als er am
nächsten Morgen aufwachte, befand er sich immer noch im
Polizeipräsidium. Er lag unter einer Decke auf der Couch in
seinem Büro. Gunther lag schnarchend am Boden.
    Ruta kochte gerade
Wasser auf dem kleinen Gasofen.
    »Sie beide haben
wohl eine ordentliche Neujahrssauftour gemacht, was? Gut, dass Sie
einen Ersatzanzug hier haben«, murrte sie, während sie
die Kaffeebohnen mahlte. »Sehen Sie sich nur ihre Hose an,
Herr Inspektor. Sie hätten wenigstens in Ihrer
Unterwäsche schlafen können.«
    Kraus war auch froh,
dass er hier noch einen Anzug in Reserve hatte, aber er hätte
auch gut eine Dusche gebrauchen können.
    Er zog sich um und
ging sofort zu Gustaves Zelle, ohne auf den Kaffee zu warten.
Zweifellos hatte eine Nacht in Isolationshaft den König der
Mystiker aufgerüttelt. Er wirkte irgendwie verloren, als Kraus
ihn durch das Guckloch in der Tür beobachtete.
    Vielleicht kam er ja
jetzt weiter bei ihm.
    Als er die Tür
klappern hörte, hob Gustave erleichtert den Blick.
    »Endlich.«
Er stand auf und griff nach seinem Umhang und seinem Gehstock.
»Ich sagte Ihnen doch, dass es ein Missverständnis sein
müsse.« Er lächelte liebenswürdig. »Wer
hat sich für mich eingesetzt? Göring? Heß? Doch
nicht der Führer?«
    »Lassen Sie die
Hosen an, Gustave. Von denen weiß niemand, dass Sie
überhaupt verschwunden sind.«
    Ein Schatten flog
über Gustaves Gesicht. »Sie
lügen.«
    Kraus lächelte.
»Glauben Sie, was Sie wollen.«
    »Warum

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