Schlag auf Schlag
wollte sie beschützen, damit es sie nicht zerfrisst. Aber am Ende bin ich doch gescheitert.«
Es klang ehrlich, doch Myron wusste, dass das nichts zu bedeuten hatten. Menschen konnten brillant lügen. Je ehrlicher sie klangen - je besser sie zweifelnden Blicken standhielten und je vertrauenswürdiger sie dreinblickten, desto psychopathischer waren sie. »Haben Sie eine Ahnung, wer Interesse an ihrem Tod haben könnte?«
Pavel betrachtete Myron misstrauisch. »Warum stellen Sie mir diese Fragen, Myron?«
»Ich bin da auf was gestoßen.«
»Und was ist das, wenn ich tragen darf?«
»Das ist ziemlich privat.«
Pavel schaute Myron ein paar Sekunden ins Gesicht. Sein Atem stank nach Tabak. Myron musste durch den Mund einatmen. »Ich erzähle Ihnen das, was ich auch der Polizei erzählt habe«, sagte Pavel. »Ich glaube, dass Valeries Nervenzusammenbruch nicht nur durch den üblichen Druck verursacht worden war, der auf einem Tennisprofi lastet.«
Myron nickte zustimmend, damit er fortfuhr.
Pavel drehte die Handflächen nach oben, als hoffte er auf göttlichen Beistand. »Vielleicht liege ich falsch. Vielleicht will ich das nur glauben, um meine Schuldgefühle zu — wie sagt man? - zu beschwichtigen. Ich weißes nicht mehr. Aber ich habe in meinem Trainingscamp viele junge Menschen gesehen, und nie ist so etwas passiert wie mit Valerie. Nein, Myron, Valerie hatte noch mehr Probleme, als die, die durch den Druck entstehen, der auf jedem Tennisstar lastet.«
»Und was waren das für Probleme?«
»Ich bin kein Arzt, verstehen Sie. Ich kann es nicht so genau sagen. Aber vergessen Sie nicht, dass Valerie verfolgt wurde.«
Myron wartete auf weitere Erläuterungen. Als Pavel schweig sagte er: »Verfolgt?« Knallharte Verhöre - eine von Myrons Stärken.
»Von einem Stalker«, sagte Pavel mit einem bingerschnippen. »So sagt man heutzutage. Valerie ist verfolgt und belästigt worden.«
»Von wem?«
»Von einem sehr kranken Mann, Myron. Einem schrecklichen Mann. Ich weiß seinen Namen immer noch, nach all den Jahren. Roger Quincy. Ein Verrückter. Er hat ihr Liebesbriefe geschrieben. Er hat sie ständig angerufen. Er ist um ihr Haus herumgeschlichen und um ihr Hotel, und er war bei jedem Match, das sie gespielt hat.«
»Wann war das?«
»Als sie auf der Tour gewesen ist natürlich. Angefangen hat es - ich weiß nicht genau - ein halbes Jahr bevor sie in die Klinik gekommen ist.«
»Haben Sie versucht, ihn davon abzubringen?«
»Natürlich. Wir sind zur Polizei gegangen. Die konnten nichts machen. Wir haben versucht, eine gerichtliche Verfügung zu bekommen, aber dieser Quincy hatte sie nie richtig bedroht. Er hat immer nur Sachen gesagt wie >Ich liebe dich, ich will bei dir sein<. Wir haben alles versucht. Wir haben die Hotels gewechselt und die Zimmer unter den verschiedensten Pseudonymen angemeldet. Aber Sie dürfen nicht vergessen, dass Valerie noch ein Kind war. Sie fühlte sich verfolgt. Sie stand auch so schon gewaltig unter Druck. Und jetzt musste sie auch noch immer auf der Hut sein. Dieser Roger Quincy war eine verrückte Bestie. Ja, das war er. Den hätte man erschießen sollen.«
Myron nickte und ließ einen Moment verstreichen. »Wie hat Alexander Cross auf Roger Quincy reagiert.'«
Die Frage traf Pavel wie ein unerwarteter linker Haken. Lennox Lewis gegen Frank Bruno, Er zögerte, versuchte das Gleichgewicht wiederzugewinnen. Auf dem Platz kamen die Spieler aus dem Tunnel. Das Publikum applaudierte. Pavel nutzte die Unterbrechung wie ein Anzählen vom Ringrichter, sie gab ihm Zeit, sich zu erholen.
»Warum fragen Sie das.'«, konterte er.
»Hatten Alexander Cross und Valerie Simpson nicht ein Verhältnis?«
»Ja, das war wohl so.«
»Etwas Ernstes.'«
»Sie war viel unterwegs. Auf Reisen. Aber die beiden schienen sich sehr gern zu haben.«
»Ich nehme mal an, dass das und Quincys Belästigungen in denselben Zeitraum fielen.«
»Ja, soweit ich mich erinnere, hat sich das überschnitten.«
»Dann ist es eine ganz logische Frage«, sagte Myron. »Wie hat Valeries Freund darauf reagiert.'«
»Logisch vielleicht schon-, sagte Pavel. »Aber Sie müssen zugehen, dass sie auch ein bisschen absurd ist. Alexander Cross ist seit Jahren rot. Wie kann seine damalige Reaktion etwas damit zu tun haben, was Valerie heute zugestoßen ist.'«
»Beide wurden ermordet.«
»Wollen Sie etwa behaupten, dass da eine Verbindung besteht.'«
»Ich will gar nichts behaupten-, sagte Myron. »Aber ich verstehe
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