Schlag auf Schlag
Zeitungsausschnitte. »Ich hab raus-gekriegt, wer damals in Dilworth Valeries Psychiaterin war. Sie heißt Julie Abramson und hat eine Praxis in der 73rd Street. Natürlich ist sie nicht bereit, mit dir zu reden. Weigert sich kategorisch, über ihre Patientin zu sprechen.«
»Eine Ärztin«, sinnierte Myron. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf. »Vielleicht kann ich ja mit meinem messerscharfen Geist und meinem muskulösen Körper etwas aus ihr herauskitzeln.
»Vermutlich«, sagte Esperanza, »aber für den unwahrscheinlichen Fall, dass sie nicht völlig weggetreten ist, habe ich einen Alternativplan entwickelt.«
»Und wie sieht der aus?«
»Ich habe später noch einmal bei ihr im Büro angerufen, meine Stimme verstellt und dich als Patienten ausgegeben. Ich habe für morgen einen Termin bei ihr gemacht. Neun Uhr.«
»Was habe ich?«
»Chronischen Priapismus«, sagte sie. »Aber das ist nur meine persönliche Diagnose.«
»Sehr witzig.«
»Ich muss sogar zugeben, dass du erheblich gesünder wirkst, seit Wie-hieß-sie-noch die Stadt verlassen hat.«
Wie-hieß-sie-noch war Jessica, deren Namen Esperanza sehr wohl kannte. Esperanza hielt nicht viel von Myrons großer Liebe. Ein unaufmerksamer Betrachter hätte vielleicht Eifersucht die Schuld dafür geben können, damit allerdings vollkommen daneben gelegen. Natürlich war Esperanza außergewöhnlich schön. Und ohne Frage hatte es zwischen ihnen Augenblicke der Versuchung gegeben, doch einer von ihnen war immer besonnen genug gewesen, die Flamme zu ersticken, bevor sie echten Schaden anrichten konnte. Dazu kam, dass Esperanza bei der Wahl ihrer Partner eine gewisse Vielfalt schätzte - eine Vielfalt, die weit über groß oder klein, dick oder dünn, weiß oder schwarz hinausging. Ihre aktuelle Affäre kam aus dem fotografischen Bereich. Sie hieß Lucy. Lucy. Eine Fotografin. Eine Frau, für diejenigen, die es immer noch nicht mitbekommen haben sollten.
Nein, ihre heftige Abneigung hatte einen viel simpleren Grund. Esperanza war dabei gewesen, als Jessica Myron zum ersten Mal verlassen hatte. Sie hatte alles aus nächster Nähe miterlebt. Und Esperanza war nachtragend.
Myron kam wieder auf seine Frage zurück. »Was hast du ihr denn erzählt? Was stimmt bei mir nicht?«
»Ich habe es nur sehr vage angedeutet«, sagte sie. »Du hörst Stimmen. Du leidest an paranoider Schizophrenie, Wahnvorstellungen, Halluzinationen, so was in der Art.«
»Wie hast du so schnell einen Termin gekriegt?«
»Du bist ein berühmter Filmstar.«
»Wie heiße ich?«
»Ich habe mich nicht getraut, ihr das mitzuteilen«, sagte Esperanza. »So berühmt bist du.«
18
Dr. Julie Abramsons Praxis lag an der Ecke 73rd Street und Central Park West. Teures Pflaster. Einen Block weiter nördlich, mit Blick über den Park, stand das San Remo Building, in dem Dustin Hoffman und Diane Keaton wohnten. Madonna hatte versucht, dort einzuziehen, doch die Hausbewohnervertretung war zu dem Schluss gekommen, dass sie nicht ins San Remo passte. Win wohnte einen Block weiter südlich, im Dakota, wo John Lennon gelebt hatte und auch gestorben war. Jedes Mal, wenn man in den Hof des Dakota wollte, musste man über die Stelle, an der John Lennon erschossen worden war. Myron war seitdem mindestens hundertmal darübergelaufen, legte dabei jedoch immer noch eine kleine Schweigesekunde ein.
Vor Dr. Abramsons Tür war ein schmiedeeisernes Tor. Schutz oder Dekoration? Myron wusste keine Antwort, fand es aber ein bisschen ironisch, dass ausgerechnet eine psychiatrische Praxis einen derart >behämmerten< Eingang haben sollte.
Na ja, nicht besonders ironisch. Eben nur ein ganz kleines bisschen.
Er klingelte. Als der Summer ertönte, trat er ein. Zu diesem Anlass hatte er seine beste Sonnenbrille aufgesetzt, obwohl es draußen bedeckt war. Mr. Filmstar.
Der Arzthelfer, ein gepflegter Mann mit modischer Brille, legte die Hände zusammen und sagte: »Guten Morgen.« Seine Stimme sollte wohl beruhigend klingen, enthielt jedoch leider ein paar Obertöne, die an eine gefolterte Katze gemahnten. »Ich möchte zu Dr. Abramson. Ich habe um neun einen Termin.«
»Ah, ja.« Er wurde munter, studierte Myrons Gesicht und versuchte herauszubekommen, wer der berühmte Filmstar sein mochte. Myron rückte seine Sonnenbrille zurecht, nahm sie aber nicht ab. Der Helfer wollte ihn nach seinem Namen fragen, konnte sich dann jedoch gerade noch bremsen. Er fürchtete wohl, den großen Star vor den Kopf zu
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