Schlag auf Schlag
bestätigen noch abstreiten, dass Valerie Simpson je meine Patientin war.« Sie sah ihn einen Moment lang an. »Vielleicht könnten Sie mir erzählen, warum Sie sich mit Valerie Simpson beschäftigen.«
»Wie schon gesagt, ich sollte Valerie vertreten.«
»Das erklärt nicht, warum Sie sich bei mir unter falschem Namen einen Termin geben lassen.«
»Ich versuche herauszubekommen, wer sie ermordet hat.«
»Sie ermitteln?«
Er nickte.
»In wessen Auftrag?«
»In gar keinem Auftrag.« »Warum ermitteln Sie dann?«
»Ich habe meine Gründe.«
Sie nickte. »Was sind das für Gründe, Myron? Das würde mich schon interessieren.«
Psychiater! »Soll ich Ihnen erzählen, wie ich Mom und Dad mal im Schlafzimmer überrascht habe?«
»Wenn Sie wollen.«
»Ich will nicht. Ich will wissen, was die Ursache für Valeries Nervenzusammenbruch war.«
Ihre Antwort kam wie aus der Pistole geschossen. »Ich kann weder bestätigen noch abstreiten, dass Valerie Simpson je meine Patientin war.«
»Ärztliche Schweigepflicht?«
»Genau.«
»Aber Valerie ist tot.«
»Das ändert daran nicht das Geringste.«
»Sie wurde ermordet. Kaltblütig erschossen.«
»Das ist mir bekannt. Wenn Sie auf dramatisch machen, entbindet mich das auch nicht von meiner Verpflichtung.«
»Aber vielleicht wissen Sie ja etwas, was mir weiterhilft.«
»Wobei weiterhilft?«
»Bei der Suche nach ihrem Mörder.«
Sie faltete ihre winzigen Hände im Schoß. Wie ein kleines Mädchen in der Kirche. »Das haben Sie also vor? Sie suchen den Mörder dieser Frau?«
»Ja.«
»Was ist mit der Polizei? In den Nachrichten hieß es, es gäbe einen Verdächtigen.«
»Autoritätspersonen stehe ich eher skeptisch gegenüber«, sagte Myron.
»Oh?«
»Das ist einer der Gründe, warum ich gerne helfen möchte.«
Dr. Abramson fixierte ihn mit ihren großen Augen. »Das glaube ich nicht, Myron.«
»Nicht?«
»Sie scheinen mir eher einen Helfer-Komplex zu haben, also zu den Männern zu gehören, die gern den Helden spielen und sich als Ritter in glänzender Rüstung sehen. Was meinen Sie dazu?«
»Ich glaube, es wäre besser, die Analyse meiner Persönlichkeit auf später zu verschieben.«
Sie zuckte die Achseln. »Ich wollte nur schnell meine erste Einschätzung formulieren. Kostet nichts extra.«
»Schön.« Nichts extra? »Ich bin nicht überzeugt, dass die Polizei hinter dem richtigen Mann her ist.«
»Wieso nicht?«
»Ich hatte gehofft, dass Sie mir in diesem Punkt weiterhelfen könnten. Valerie muss etwas von Roger Quincy, ihrem Stalker, erzählt haben. Hielt sie ihn für gefährlich?«
»Zum letzten Mal, ich werde weder bestätigen noch abstreiten -«
»Das sollen Sie ja auch gar nicht. Ich habe nach Roger Quincy gefragt. Er war ja wohl nicht Ihr Patient, also sind Sie nicht an die ärztliche Schweigepflicht gebunden, oder?«
»Nein, und ich kenne ihn auch gar nicht.«
»Wie wäre es dann mit einer dieser schnellen Einschätzungen? Wie Sie sie gerade über mich abgegeben haben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Tut mir Leid.«
»Ich kann Sie also nicht davon überzeugen, dass Sie mit mir reden sollten?«
»Uber einen mutmaßlichen Patienten? Nein.«
»Und wenn ich mir eine Einverständniserklärung der Eltern besorge?«
»Die kriegen Sie nicht.«
Myron betrachtete sie und wartete ab. Aber darin war sie besser als er. Ihr Gesicht verriet zwar nichts, ihre Worte konnte sie jedoch nicht zurücknehmen. »Woher wissen Sie das?«, fragte er.
Sie schwieg weiter. Dann sah sie zu Boden. Myron fragte sich, ob sie den Fauxpas absichtlich begangen hatte.
»Sie haben schon bei Ihnen angerufen, nicht wahr?«, sagte Myron.
»Es ist mir nicht gestattet, etwas über Gespräche zwischen mir und -«
»Die Familie hat angerufen und Sie zum Schweigen verdonnert.«
»Ich werde weder bestätigen noch -«
»Die Leiche ist noch nicht mal kalt, da fangen die schon an, ihre Spuren zu verwischen«, unterbrach Myron sie. »Und das kommt Ihnen nicht etwa komisch vor?«
Dr. Abramson räusperte sich. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden, möchte Ihnen aber Folgendes sagen: In Situationen wie der von Ihnen beschriebenen ist es nicht ungewöhnlich, wenn Eltern versuchen, das Angedenken ihrer Tochter zu schützen.«
»Schützen die das Angedenken ihrer Tochter« - Myron erhob sich und legte seinen finstersten Staatsanwalt-beim-Plädoyer- Blick auf - »oder ihren Mörder?« Mr. Hochdramatisch.
»Jetzt werden Sie mal nicht albern«, sagte sie. »Die Familie der jungen
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