Schlag auf Schlag
hervor, der hinter seinem Schreibtisch lag, und ließ ihn auf dem Zeigefinger rotieren. Trieb ihn so an, dass er sich immer schneller drehte, ohne die Richtung der Achse dabei zu verschieben. Er starrte sein Werk an wie eine alte Zigeunerin ihre Kristallkugel. Er sah ein Parallel-Universum mit einer jüngeren Version von sich, wie er auf dem Parkett des Boston Garden mit der Schlusssirene einen Dreipunktewurf versenkt. Er versuchte, das Bild nicht allzu lange auf sich einwirken zu lassen, aber es blieb da, veränderte sich nicht, weigerte sich einfach, zu verschwinden.
Esperanza kam herein. Sie setzte sich und wartete schweigend.
Der Ball hörte auf zu rotieren. Myron legte ihn beiseite und reichte ihr den Artikel. »Guck dir das mal an.«
Sie las ihn. »Ein paar Lehrer haben was Nettes über den Jungen gesagt. Na und? Wahrscheinlich sowieso falsch zitiert.«
»Aber das sind mehr als nur ein paar locker hingeworfene Bemerkungen. Curtis Yeller war nicht vorbestraft, musste nie nachsitzen, war im Unterricht fast immer anwesend und hatte einen Notendurchschnitt von 1,2. So einen Jugendlichen findet man fast nirgends. Und er ist auch noch im miesesten Viertel Philadelphias aufgewachsen.«
Esperanza zuckte die Achseln. »Ist doch vollkommen schnuppe.
Ob Yeller Einstein war oder ein Trottel, tut doch wohl nichts zur Sache, oder?«
»Stimmt. Aber es ist noch ein Punkt, der nicht zum Rest passt. Warum hat Curtis' Mutter behauptet, er wäre ein nichtsnutziger Dieb gewesen?«
»Vielleicht kannte sie ihn besser als seine Lehrer?«
Myron schüttelte den Kopf. Er dachte an Deanna Yeller. Die stolze, schöne Frau, die ihm die Tür geöffnet hatte. Die plötzlich feindselige, argwöhnische Frau, als er ihren Sohn erwähnt hatte. »Sie hat gelogen.«
»Wieso?«
»Weiß ich nicht. Win meint, sie hätte sich kaufen lassen.«
»Möglich wär's«, sagte Esperanza.
»Was? Eine Mutter, die sich bestechen lässt, den Mörder ihres Sohns zu schützen?«
Wieder zuckte Esperanza die Achseln. »Klar. Wieso nicht?«
»Glaubst du wirklich, eine Mutter würde... ?« Myron sah Esperanza an. In ihrem Gesicht war keine Regung zu erkennen - noch so eine, die immer das Schlimmste annahm. »Du brauchst dir die Situation doch bloß mal ein paar Sekunden durch den Kopf gehen zu lassen«, setzte er neu an. »Curtis Yeller und Errol Swade brechen nachts in diesen piekfeinen Tennisclub ein. Weshalb? Um zu stehlen? Was? Es war mitten in der Nacht. In den Umkleideräumen sind um die Zeit keine Portemonnaies. Was hätten sie da stehlen sollen? Tennisschuhe? Ein paar Schläger? Das ist ganz schön viel Aufwand für eine Tennisausrüstung.«
»Vielleicht 'ne Stereoanlage«, sagte Esperanza. »Im Clubhaus könnte auch ein Fernseher mit Großbildschirm stehen.«
»Gut. Nehmen wir an, du hättest Recht. Leider hatten die Jungs keinen Wagen dabei. Sie waren mit öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuß unterwegs. Wie hätten sie ihre Beute transportiert? Getragen?«
»Vielleicht wollten sie einen Wagen klauen?«
»Vom bewachten Parkplatz des Clubs?«
Sie zuckte die Achseln. »Könnte sein«, meinte sie. Dann: »Was dagegen, wenn ich zwischendurch mal das Thema wechsle?«
»Nur zu.«
»Wie lief's denn gestern Abend mit Eddie Crane?«
»Er ist ein großer Fan von Little Pocahontas. Er hat gesagt, sie wäre >echt heiß«.«
»Echt heiß?«
»Jawohl.«
Sie zuckte die Achseln. »Der Junge hat Geschmack.«
»Nett ist er auch. Ich mag ihn. Er ist klug und hat das Herz am rechten Fleck. Verdammt anständiger Junge.«
»Adoptierst du ihn?«
»Ah, nein.«
»Und wie sieht's mit der Vertretung aus?«
»Sie haben gesagt, sie würden sich melden.«
»Wie stehen die Chancen?«
»Schwer zu sagen. Der Junge mag mich. Die Eltern machen sich Sorgen, weil ich keine große Nummer bin.« Pause. »Wie war's bei Burger City?«
Sie reichte ihm ein paar Papiere. »Vorvertrag für Phil Sorensen.«
»Fernsehspot?«
»Yeah, aber er muss sich als Hamburger-Gewürz verkleiden.«
»Was für eins?«
»Ketchup, glaube ich. Darüber wollten wir noch reden.«
»Gut. Pass aber auf, dass es nicht Mayonnaise oder Gurke wird.« Er las den Vertrag. »Gut gemacht. Ordentliche Summe.«
Esperanza sah ihn an.
»Sogar sehr ordentlich.« Er lächelte sie an. Mit einem breiten Lächeln.
»Ist das jetzt mein Stichwort, wo ich ganz aufgeregt werde, weil du mich gelobt hast?«, fragte sie.
»Vergiss, dass ich was gesagt habe.«
Sie zeigte auf einen Stapel
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