Schlag auf Schlag
Bescheid?«
»Natürlich. Und wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben, dass es mir ganz und gar nicht genehm war. Das hätte Pavel nicht passieren dürfen. Aber meine Tochter war damals sechzehn Jahre alt - vielleicht auch schon siebzehn, ich weiß nicht genau, wann das angefangen hat. Auf jeden Fall war sie nicht so jung, dass es gesetzwidrig gewesen wäre. Das jetzt Vergewaltigung oder Missbrauch zu nennen, halte ich doch für etwas sehr dramatisch, meinen Sie nicht auch?«
Vielleicht Beruhigungsmittel und Alkohol. Vielleicht sogar das eine mit dem anderen runtergespült. »Valerie war ein junges Mädchen«, sagte Myron. »Pavel Menansi war ihr Trainer, ein Mann von fast fünfzig Jahren.«
»Hätte es irgendetwas geändert, wenn er vierzig gewesen wäre? Oder dreißig?«
»Nein«, sagte Myron.
»Warum messen Sie dann dem Altersunterschied solche Bedeutung bei ?« Sie stellte ihre Tasse ab. Das Lächeln umspielte wieder ihren Mund.
»Ich möchte Ihnen eine Frage stellen, Mr. Bolitar. Wenn Valerie ein sechzehnjähriger Junge gewesen wäre, und der hätte eine Affäre mit einer hübschen, sagen wir, dreißigjährigen Trainerin gehabt - hätten Sie das als sexuellen Missbrauch bezeichnet? Hätten Sie da von einer Vergewaltigung gesprochen?«
Myron zögerte eine Sekunde. Es war eine Sekunde zu viel.
»Hab ichs mir doch gedacht«, triumphierte sie. »Sie sind ein Sexist, Mr. Bolitar. Valerie hatte eine Affäre mit einem älteren Mann. So was kommt öfter vor.« Wieder das ironische Lächeln. »Selbst ich war nicht dagegen gefeit.«
»Hatten Sie hinterher auch einen Nervenzusammenbruch?«
Sie hob eine Augenbraue. »Das ist also Ihre Definition von Missbrauch«, sagte sie. »Ein Nervenzusammenbruch.«
»Sie haben diesem Mann Ihre Tochter anvertraut«, sagte Myron. »Er sollte ihr helfen. Stattdessen hat er sie benutzt. Er hat sie hinabgezogen. Er hat sie zerstört und weggeworfen.«
»Hinabziehen? Zerstören? Wegwerfen? Ach je, Mr. Bolitar, wir haben es wohl auf den Schockeffekt abgesehen, nicht wahr?«
»Finden Sie das, was er getan hat, richtig?«
Sie griff nach einer Zigarette und zündete sie an. Mit geschlossenen Augen nahm sie einen tiefen Zug und blies den Rauch in die Luft. »Wenn es Sie glücklich macht, können Sie mir die Schuld an allem geben, was passiert ist. Ja, geben Sie mir die Schuld. Ich war eine lausige Mutter. Ganz furchtbar. Besser so?«
Myron betrachtete sie, während sie ruhig ihre Zigarette rauchte und dazu Tee trank. Zu ruhig. Glaubte sie den Mist selbst, den sie ihm hier unterjubeln wollte? Oder war das nur Show? Wollte sie sich nur selbst einreden...
»Pavel hat Sie bestochen«, sagte er.
»Nein.« »TruPro und Pavel bezahlen Sie -«
»So kann man das absolut nicht sehen«, unterbrach sie ihn.
»Wir wissen von dem Geld, Mrs. Van Slyke.«
»Sie verstehen das nicht. Pavel glaubt, er wäre schuld an dem, was passiert ist. Er hat es auf sich genommen, den Schaden, soweit ihm das möglich ist, zu beheben.«
»Indem er Sie besticht.«
»Indem er uns einen Teil des Geldes zur Verfügung stellt, das Valerie hätte verdienen können, wenn sie weiter Tennis gespielt hätte. Er musste das nicht tun. Ihr Leistungsabfall ließ sich nicht direkt auf die Affäre -«
»Man nennt das Schweigegeld.«
»Niemals.« Sie zischte jetzt fast. »Valerie war meine Tochter.«
»Und Sie haben sie verkauft.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe getan, was ich für das Beste im Sinne meiner Tochter hielt.«
»Er hat sie missbraucht. Sie haben sein Geld genommen. Sie haben ihn damit davonkommen lassen.«
»Ich konnte nichts tun«, sagte sie. »Wir wollten nicht, dass es an die Öffentlichkeit gerät. Valerie wollte es hinter sich bringen. Sie wollte, dass es vertraulich behandelt wird. Wir haben uns nach ihr gerichtet.«
»Wieso?«, fragte Myron. »Es war doch nur eine Affäre mit einem älteren Mann. So was kommt öfter vor. Selbst Sie waren nicht dagegen gefeit.«
Sie biss sich kurz auf die Unterlippe. Dann sagte sie leise: »Ich konnte nichts machen. Es war für alle am besten, nichts darüber zu sagen.«
»Blödsinn«, widersprach Myron. Er merkte, dass er sie zu sehr unter Druck setzte, konnte sich aber einfach nicht zurückhalten. »Sie haben Ihre Tochter verkauft.«
Sie schwieg einen Augenblick, konzentrierte sich ganz auf ihre
Zigarette, betrachtete die länger werdende Asche nachdenklich. Sie hörte das tiefe Grummein der Trauergemeinde im Wohnzimmer. Gläserklirren. Höfliches
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