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Schlag auf Schlag

Schlag auf Schlag

Titel: Schlag auf Schlag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harlan Coben
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spenden, sondern eher, um sicher zu gehen, dass man sie auch gesehen und erkannt hatte, was ja schließlich der Hauptgrund für ihr Kommen gewesen war. Helen Van Slyke schüttelte mit hoch erhobenem Kopf die Hände, die ihr entgegengestreckt wurden. Sie blinzelte nicht. Sie lächelte nicht. Sie weinte nicht. Sie hatte den Unterkiefer energisch vorgeschoben. Myron stellte sich mit Win in die Schlange der Kondolierenden. Als sie näher kamen, hörte er, dass sie abwechselnd immer dieselben Sätze wiederholte - »Vielen Dank für Ihr Kommen, danke, dass Sie gekommen sind, vielen Dank für Ihr Kommen, danke, dass Sie gekommen sind« - ein Singsang, ähnlich wie der einer Stewardess, wenn die Passagiere das Flugzeug verließen.
    wahrgenommen. Er zog eine Grimasse, als lutsche er eine Zitrone. »Ist das Ihr Ernst?«, fragte er.
    Myron und Win sahen sich an. »Ja, das ist mein voller Ernst, Kenneth«, sagte Myron.
    »Dann seien Sie doch so freundlich und halten sich von meiner Frau fern. Ihr Besuch neulich hat sie sehr mitgenommen.«
    »Ich wollte ihr nicht wehtun.«
    »Tja, das haben Sie aber getan, und nicht zu knapp, das können Sie mir glauben. Mr. Bolitar, ich glaube, es wäre höchste Zeit für Sie, ihr etwas Respekt zu erweisen. Lassen Sie meine Frau in Ruhe. Wir trauern. Sie hat ihre Tochter verloren und ich meine Stieftochter.«
    Win verdrehte die Augen.
    Myron erwiderte: »Ich gebe Ihnen mein Wort, Kenneth.«
    Kenneth nickte mannhaft und ging.
    »Seine Stieftochter«, sagte Win angewidert. »Bah.«
    Myron bemerkte, dass Helen Van Slyke ihn von der anderen Zimmerseite musterte. Sie zeigte auf die Tür zu ihrer Rechten und verschwand dahinter. Wie bei einer Verabredung zu einer geheimen Liaison.
    »Halt uns Kenneth vom Leib«, sagte Myron.
    Win spielte den Überraschten. »Aber du hast ihm dein Wort gegeben.«
    »Bah«, antwortete Myron. Was immer das auch bedeuten mochte.
    Er folgte Helen durch die Tür. Auch sie trug Schwarz, eine Art Kostüm, dessen Rock gerade lang genug war, um anständig, dabei aber trotzdem sexy zu wirken. Hübsche Beine, dachte er, und kam sich vor wie ein Schwein, weil ihm so etwas in einer solchen Situation auffiel. Sie führte ihn in ein kleines Zimmer am Ende eines verschnörkelten Flurs und schloss die Tür hinter ihnen. Der Raum war eine Art Miniaturausgabe des Wohnzimmers. Der
    Kronleuchter war kleiner. Die Couch war kleiner. Der Kamin war kleiner. Das Porträt darüber war kleiner.
    »Dies ist der Salon«, erklärte Helen Van Slyke.
    »Oh«, sagte Myron. Er hatte sich schon immer gefragt, was ein Salon eigentlich genau war. Jetzt, wo er sich in einem befand, wusste er es immer noch nicht.
    »Möchten Sie eine Tasse Tee?«
    »Nein, danke.«
    »Hätten Sie etwas dagegen, wenn ich mir eine nehme?«
    »Aber nein«, antwortete er.
    Sie setzte sich vorsichtig und schenkte sich aus dem Silber-Service eine Tasse ein. Myron fiel auf, dass auf dem Tisch zwei Services standen. Er fragte sich, ob das etwas mit der Definition eines Salons zu tun hatte.
    »Kenneth sagt, Sie nehmen Beruhigungsmittel«, meinte er.
    »Kenneth ist ein Arschloch.«
    Was für eine Überraschung.
    »Untersuchen Sie Valeries Mord noch immer?«, fragte sie. Es klang fast etwas spöttisch. Außerdem schien sie ein kleines bisschen zu lallen, und Myron fragte sich, ob sie wirklich Beruhigungsmittel nahm oder ob sie ihrem Tee vielleicht ein wenig von der Hausmarke zugesetzt hatte.
    »Ja«, sagte er.
    »Fühlen Sie sich immer noch verantwortlich und spielen den Ritter ohne Furcht und Tadel?«
    »Das habe ich nie getan.«
    »Warum interessieren Sie sich dann dafür?«
    Myron zuckte die Achseln. »Irgendjemand muss sich doch darum kümmern.«
    Sie blickte auf, suchte einen Anflug von Ironie in seiner Miene. »Verstehe«, sagte sie. »Nun denn: Was hat Ihre Untersuchung ergeben?« »Pavel Menansi hat Ihre Tochter missbraucht.«
    Myron wartete auf eine Reaktion. Helen Van Slyke lächelte ein bisschen mokant und tat sich ein Stück Zucker in den Tee. »Das ist nicht Ihr Ernst«, sagte sie.
    »Doch, das ist es.«
    »Was meinen Sie mit missbraucht.«
    »Sexuell missbraucht.«
    »Also eine Vergewaltigung.«
    »Ja, so könnte man es bezeichnen.«
    Sie tat es mit einer spöttischen Geste ab. »Nun mal langsam, Mr. Bolitar. Ist das nicht etwas weit hergeholt?«
    »Nein.«
    »Es war ja nicht so, dass Pavel sie zu irgendetwas gezwungen hätte, nicht wahr? Sie hatten eine Affäre. Das ist doch nichts Ungewöhnliches.«
    »Sie wussten

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