Schlag auf Schlag
ausgezeichnetes Ballgefühl. Stark wie ein Bulle. Und nett war er auch noch. Er hat sich mit mir unterhalten. Viele Spieler haben die Laufburschen ignoriert, aber Norm war da anders. Ich weiß noch, dass er Freiwürfe mit dem Rücken zum Korb geworfen hat. Über die Schulter. Sein Ballgefühl war so gut, dass er auch dabei noch eine Trefferquote von über fünfzig Prozent hatte.«
»Und was ist mit ihm passiert?«
»Im ersten Jahr hat er die Bank gedrückt. Dann haben die Celtics ihn entlassen. Er hat 'n bisschen rumgesucht und ist bei den Portland Trailblazers gelandet. Meist saß er auf der Bank oder wurde erst eingesetzt, wenn das Spiel schon entschieden war und so was. Als die Trailblazers in die Playoffs kamen, hat Norm den üblichen Bonus bekommen. Er war so high, dass er losgezogen ist und sich einen Rolls Royce gekauft hat. Hat jeden Pfennig, den er hatte, in den Wagen gesteckt. Aber er hatte keine Angst. Es gab ja noch das nächste Jahr. Und das danach. Das Problem war nur, dass Portland ihn dann entlassen hat. Er hat's bei ein paar anderen Teams versucht, aber die wollten ihn nicht. Das Letzte, was ich gehört habe, ist, dass Norm den Wagen verkaufen musste, um seine Familie zu ernähren.«
Schweigen.
Nach einer Weile sagte Emmett: »Ich hab auch noch 'n Honda Accord gesehen. Die hatten 'n ziemlich günstiges Leasing-Angebot.«
»Nimm ihn, Emmett.«
Ein paar Minuten später legten sie auf. Myron hatte lange nicht an Norm Booker gedacht. Er fragte sich, was wohl aus ihm geworden war.
Esperanza kam wieder herein. Sie steckte eine neue Karte für Duane Richwood in seine Rolodex. »Zufrieden?«
»Ja.« Er gab ihr zwei Blatt Papier. »Das ist die Gästeliste für die Party, bei der Alexander Cross umgebracht wurde.«
»Wonach soll ich suchen?«
»Ich hab keinen Schimmer. Einen bekannten Namen. Irgendwas, das dir ins Auge springt.«
Sie nickte. »Du weißt, dass morgen die Beerdigung ist?«
Myron nickte.
»Gehst du hin?«, fragte sie.
»Ja.«
»Ich hab die Lehrerin ausfindig gemacht, die in dem Zeitungsartikel über Curtis Yeller erwähnt wird.«
»Und?«
»Eine Mrs. Lucinda Elright. Sie ist in Rente. Wohnt in Philadelphia. Sie erwartet dich morgen. Du kannst direkt nach der Beerdigung hinfahren.«
Myron lehnte sich zurück. »Ich weiß überhaupt nicht, ob das noch nötig ist.«
»Soll ich absagen?«
Myron überlegte einen Moment. Angesichts dessen, was er über Pavel Menansi erfahren hatte, schien es zwischen dem Mord an Valerie und dem, was mit Curtis Yeller passiert war, praktisch keine Verbindung zu geben. Valeries steiler Abstieg war nicht durch den Mord an Alexander Cross verursacht worden. Der Mord war nicht einmal der letzte Auslöser gewesen. Pavel Menansi hatte Valerie schon Jahre zuvor in den Abgrund gestoßen. Er hatte zugesehen, wie sie langsam unter großen Schmerzen über scharfkantige Felsen in die Tiefe stürzte. Alexander Cross' Tod war das Ende dieses Sturzes gewesen. Der Boden, wenn man so will. Der letzte Aufprall. Mehr nicht. Offenbar gab es keine Verbindung zwischen Valeries Tod und den Ereignissen vor sechs Jahren. Es gab auch keine Verbindung zwischen Duane und Valerie, die über das hinausging, was Duane ihm erzählt hatte - sie hatten miteinander geschlafen. Es war nicht weiter wichtig.
Allerdings...
Allerdings war da noch das nächtliche Rendezvous zwischen Duane und Curtis Yellers Mutter.
Wenn das nicht gewesen wäre - wenn Myron die beiden nicht zusammen im Hotel gesehen hätte - hätte er beide ganz aus der Mordsache streichen können. Aber die Affäre zwischen Duane und Deanna Yeller - das war ihm doch ein zu großer Zufall. Irgendeine Verbindung musste es geben. »Nein, ich fahr hin«, sagte Myron.
31
Valeries Beerdigung verlief streng nach Schema F.
Der Reverend, ein dicker Mann mit roter Nase, hatte sie offenbar nicht näher gekannt. Er zählte ihre Errungenschaften auf, als lese er sie aus einem Lebenslauf ab. Dazwischen streute er ein paar altbekannte, jedoch immer wieder gern genommene Nettigkeiten ein: liebende Tochter, so voller Leben, wurde uns so früh genommen, Gott hat einen Plan. Eine Orgel tönte voll selbstgerechter Entrüstung. Geschmacklose Blumen, die aussahen, als gehörten sie um den Hals eines siegreichen Rennpferds, schmückten die Kapelle. Buntglas-Heilige schauten mit ernsten Blicken von oben zu.
Die Trauergemeinde löste sich schnell auf. Die Gäste blieben kurz bei Helen und Kenneth Van Slyke stehen. Nicht etwa, um Trost zu
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