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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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Hand der Ärztin sah, wurde er bleich und bat um ein Pflaster. »Wir können den Riss auch zukleben, wenn Sie nicht genäht werden wollen«, hatte sie angeboten, und Mert war ihr dankbar dafür gewesen.
    »Sie haben mir einen Riss zugeklebt«, sagte er nun.
    »Klar!«, erwiderte sie, »du bist der Boxer, der sich problemlos die Nase einrichten lässt, aber Schiss vor einer Nadel hat.« Sie berührte Merts Nase und kam ganz nah an sein Gesicht, um die Augenbraue zu inspizieren. »Ist ja auch so ganz schön verheilt.« Ihr Atem verriet, dass sie getrunken hatte. Hinter ihr sammelte sich eine Gruppe schick gekleideter Menschen, insgesamt waren sie zu sechst.
    »Wir haben heute eine kleine Party mit dem Stationspersonal«, erklärte die Ärztin und deutete auf ihre Kollegen, darunter zwei Männer, die als Zeichen von Lockerheit den obersten Knopf ihres Hemdes geöffnet hatten. Einer der beiden hielt eine Frau im Arm, die halb so alt war wie er. Er trug einen Ehering, sie nicht. Mert, der wie immer bei der Arbeit nüchtern war, fragte sich, was ihm an den beiden Männern auf die Nerven ging. Vielleicht, dass sie sich in sein Revier gewagt hatten und dort immer noch so taten, als seien sie die Chefs. Andererseits war die schöne Ärztin bester Laune, und die ganze Gruppe würde Stimmung und Umsatz bringen.
    »Lässt du uns rein?«, fragte sie.
    Er hielt ihr die Tür auf. Die Ärztin winkte ihre Kollegen durch, und Mert hörte, wie einer der Männer sie beim Reingehen leise fragte: »Woher kennst du denn solche Typen?«
    Dann verschwand die Gruppe im Lärm.
    Kurz danach drehte Mert seine Runden im Laden und blieb bei der Ärztin stehen, die ihre Kollegen vom Rand der Tanzfläche aus beobachtete. Sie bewegten sich, als würden sie ihre eigene Musik im Kopf haben oder Signale aus dem All empfangen. Zum Takt der Musik bewegten sie sich jedenfalls nicht.
    »Wie heißt du eigentlich?«, fragte die Ärztin.
    »Mert.«
    »Gerd?«
    » MERT. «
    »Constanze.« Sie gab ihm die Hand, kühl und schlaff.
    »Kannst du tanzen?«, fragte Constanze.
    »Wer boxen kann, kann auch tanzen.«
    »Dann wird’s aber Zeit«, sagte sie, stellte ihren Drink auf einem der Lautsprecher ab und versuchte erfolglos, Mert auf die Tanzfläche zu ziehen. Er ließ sich auch nicht dadurch erweichen, dass sie mit ihrer missglückten Aufforderung eine alberne Figur machte.
    »Nicht bei der Arbeit.«
    Sie ließ von ihm ab.
    »Tanz doch mit deinen Freunden.«
    »Das sind meine Kollegen. Morgen tun sie so, als hätten sie einen Filmriss gehabt, weil der Chefarzt mit der Stationsschwester rumgemacht hat.«
    Mert nickte kaum merklich mit dem Kopf. »Ich muss wieder.«
    »Wann hast du denn Feierabend?«
    »So in einer Stunde.«
    »Wenn du eine feste Freundin hättest, wärst du ideal.«
    »Für was?«
    »Na für was wohl? Ich bin verheiratet, und wenn du in festen Händen wärst, müssten wir beide ein Geheimnis bewahren.«
    Mert erwiderte nichts und bezog seinen Posten vor der Tür.
    Als er wenig später Feierabend machte, sah er, wie sich der Chefarzt und die Stationsschwester auf der Tanzfläche küssten. Constanze wurde von dem zweiten Offenhemdträger belagert. Sie schien erleichtert zu sein, als Mert dazukam.
    »Sie sind also Boxer?«, fragte der Mann in schleppendem Ton.
    Mert nickte. »Und, merken Sie schon was?« Dabei tippte sich der Mann an den Kopf und versuchte einen listigen Gesichtsausdruck. Mert blickte ihn an. Die Welt um den Mann herum verschwand, das Hans-Albers-Eck, die Reeperbahn, die abzweigende Budapester Straße, die ihn bis nach Eppendorf führen würde, zu seiner geschmackvoll eingerichteten Wohnung mit den hohen, stuckverzierten Decken, zu seiner Frau und den zwei Kindern. Es gab für den Mann keinen Beruf mehr, kein Geld, keinen Stand, noch nicht mal die Bar in seinem Rücken. Keine Hoffnung und keine Sicherheit. Nur noch Mert. Eine quadratische Gestalt, die größer wurde, je länger man sie ansah. Ein Blick, eingerahmt von Schrammen und schwarzen Haaren. Der Hals eine Säule, die Schultern wie Ochsenzwinger. Mert vor ihm, Mert hinter ihm, Mert über ihm.
    Schließlich lächelte Mert.
    Der Mann bestand darauf, eine Runde Getränke auszugeben. Er hastete zum Tresen, rief nach der Barfrau, gab zu viel Trinkgeld und beeilte sich, die Getränke abzuliefern, wie eine Opfergabe. Nach zwei Schlucken erklärte er, dass es schon spät sei und er dringend gehen müsse. Er räumte das Feld, Constanze blieb.
    Mert war sich im Klaren darüber, dass er

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