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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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Künstler«, erklärte Stefan. Das Wort Künstler betonte er mit wackelnder Stimme, um sich darüber lustig zu machen. Der Kunde öffnete in einer weiten, schwarzen Hose, die locker um seine Beine flatterte. Dazu trug er einen dünnen schwarzen Rollkragenpullover, über dessen Kragen sich Haare kräuselten. Stefan und Mert betraten eine Wohnung im dritten Stock, die wie eine moderne Arztpraxis eingerichtet war.
    Zu lange Haare für einen Mann seines Alters, dachte Mert, und warum trägt der bei der Hitze kein T-Shirt?
    Mert hatte das Gefühl, der Mann habe sich verkleidet, vielleicht sogar die Beleuchtung in der Wohnung so eingestellt, wie es seiner Vorstellung von Halbwelt entsprach. Mert blieb dicht hinter Stefan, auch das war Show. Mit seiner Rechten konnte Mert nicht mal Bananen schälen, doch es reichte, um Eindruck zu schinden. Stefan und der Rollkragen-Mann setzten sich, das Päckchen wurde über den Glastisch geschoben. Der Mann stach mit einem bereitgelegten Taschenmesser hinein, rieb sich eine Spur Kokain aufs Zahnfleisch und schmatzte anerkennend.
    Das Schauspiel flog auf, als seine Frau überraschend nach Hause kam, drei Tüten und eine große Handtasche abstellte und sah, was sich zutrug.
    Sie bekam einen hysterischen Anfall, beschimpfte erst ihren Mann, danach Stefan und Mert. Als sie schließlich zum Telefon griff und drohte, die Polizei zu rufen, stand Stefan auf und schlug ihr mit der Faust auf den Mund. Sie sackte zusammen wie ein Beutel Knochen. Daraufhin drehte der Käufer durch. Er stürzte sich auf Stefan, was Mert verhinderte, indem er dem Mann die linke Hand an den Kehlkopf rammte, sodass dieser flach auf Rücken und Hinterkopf knallte.
    Die Frau heulte, bevor sie wieder voll bei Bewusstsein war, wischte sich das Blut vom Mund und heulte noch mehr. Als sie ihren reglosen Mann auf dem Boden liegen sah, fing sie an zu kreischen. Es konnte nicht lange dauern, bis die Nachbarn Alarm schlugen.
    Mert zog den Mann mit der linken Hand am Rollkragen hoch, schüttelte ihn und setzte ihn wieder aufs Sofa. Die Frau berührte er nicht, weil die Situation schon zu weit eskaliert war, als dass er einfach Hilfestellung anbieten konnte. Sie rollte sich auf dem Boden zusammen und wimmerte. Der Mann sprach kein Wort mehr, wog das Paket nicht ab und verzichtete auf weitere Gangstergesten. Er legte Stefan das Geld hin, der es hastig abzählte. Dann gingen sie.
    Erst als sie mit dem X5 in die Rothenbaumchaussee in Richtung St. Georg abgebogen waren, sprach Stefan wieder. »Ich mach nichts mehr mit Privatiers, die sind nicht professionell genug.«
    So gerieten Mert und Stefan an die Albaner, die wenig später das Ende von Stefans zweiter Karriere markieren sollten.
    Stefan hatte den Deal am Telefon vorbereitet. Mert fuhr ihn zu einer ranzigen Kneipe am oberen Ende der Simon-von-Utrecht-Straße. Die Eingangstür führte in einen langen Raum, links ein langer Tresen, rechts drei Tische mit Stühlen drum herum. Nur vier Trinker waren anwesend, und eine Frau hinter der Bar. Sie gingen am Tresen vorbei und klopften am Ende des Raums an eine Tür ohne Klinke. Die Tür wurde geöffnet. Ein Mann, der Mert um einen halben Kopf überragte, ließ sie ein. Der Raum war kaum größer als eine Umkleidekabine. Keine Fenster und kein Bild an der Wand, nackter Boden, eine kleine Bar in der Ecke. Ein runder Tisch stand in der Mitte des Raums, so winzig, dass eine Vase mit Kunstblumen den größten Teil davon bedeckte, dazu zwei Stühle. Auf einem der Stühle saß ein kleinerer Mann, fahl beleuchtet von einer Neonröhre an der Decke. Der Große tastete sie nach Waffen ab.
    Stefan und Mert war über Jahre im Verein eingebläut worden, Konflikte nicht mit einer Waffe zu lösen. »Eine Waffe kann gegen euch verwendet werden«, dozierte Kalle alle paar Monate, »oder ihr macht alles nur schlimmer. Wenn ihr ein Messer zieht, dann nimmt der andere eine Baseballkeule.« Die Trainierenden standen bei dieser wiederkehrenden Ansprache um Kalle herum wie eine Schulklasse auf Geländeerkundung. »Und was können Boxer besonders gut? Warum brauchen wir keine Waffe?«, fragte Kalle jedes Mal in die Runde. »Laufen«, antwortete dann einer, der diesen Vortrag nicht zum ersten Mal hörte. »Genau!«, dröhnte Kalle, »ihr könnt rennen wie die Hasen!«
    Obwohl Stefan und Mert ihre besten Zeiten hinter sich hatten, fühlten sie sich auch ohne Waffen wehrhaft genug. Die Albaner waren zufrieden. Aber der Fluchtweg war abgeschnitten.
    »Gutt«, sagte der

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