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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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fühlte er sich nicht gewachsen. Also ging er raus in den Regen, suchte eine Bus-Haltestelle und fuhr nach Hause, wo er fast alle Schmerztabletten, die sie ihm im Krankenhaus mitgegeben hatten, auf einmal nahm.
    Kurz nachdem Mert das Krankenhaus verlassen hatte, traf Nadja ein, um ihren Bruder zu besuchen. Felix bot ein Bild des Jammers. Er dämmerte vor sich hin, sein Kiefer war geklammert, sein Gesicht geschwollen. Nadja saß eine Weile bei ihm, dann sagte sie: »Ich hol mir mal einen Kaffee.«
    Sie ging zur Stationsschwester und fragte nach Mert Schulz. Aber die Schwester hatte gerade ihren Dienst angetreten und konnte ihr nicht weiterhelfen. Nadja fragte sich bis in die Notaufnahme durch. Dort traf sie auf Constanze.
    »Gestern am frühen Abend wurde ein Mert Schulz bei Ihnen eingeliefert. Wissen Sie, wo er liegt?«
    »Leider nein. Ich hatte keinen Dienst.«
    »Können Sie es herausfinden?«
    »Wer sind Sie denn? Sind Sie mit ihm verwandt?«
    »Nein. Ich bin seine Freundin.«
    »Ich dachte, er hat keine Freundin.«
    Nadjas Augen wurden zu Schlitzen, sie sah Constanze starr an.
    »Ich bin seine Exfreundin.«
    »Ach, du bist Nadja.«
    »Ja. Warum?«
    »Ich hab schon viel von dir gehört.«
    Mert ging nicht wieder ins Krankenhaus. Nach vier Wochen schnitt er sich die Schiene auf und wartete, bis die Hand von allein heilen würde. Er stellte fest, dass Kokain gegen die Schmerzen half. Es half ihm auch, mit Frauen zu schlafen, obwohl er sich selbst nicht mehr leiden konnte. Er geriet schnell außer Form, nachdem er nicht mehr trainieren konnte. Es dauerte kein halbes Jahr, und Mert war verwahrlost. Er stellte fest, dass seine Boxerei eine Flucht gewesen war, eine Möglichkeit, sich davon abzuhalten, der zu werden, der er nun wurde. Die Kanten in seinem Gesicht verschwanden, seine Kontur wurde weich, was er dadurch verdeckte, dass er sich einen Bart wachsen ließ. Er meldete sich nicht mehr bei Constanze, weil er ihr nicht unter die Augen treten wollte. Es fiel Mert schwer zu glauben, dass jemand ihn attraktiv finden könnte, so wie er aussah. Stattdessen nahm er nur noch Frauen mit ins Bett, die er bei der Arbeit kennenlernte. Oder diejenigen, die in ihrer Küche hängen blieben. Die hatten ihre Attraktivität durch Alkohol oder Drogen beschädigt und waren ihm schlicht egal.
    Schlimmer war, dass Mert sich selbst egal wurde. Eines Nachts stand er in einem T-Shirt, das ihm früher einmal gepasst hatte, vor dem Hans-Albers-Eck und langweilte sich bei einem letzten Bier, als Ali plötzlich vor ihm stand.
    »Alter, siehst du scheiße aus«, sagte Ali statt einer Begrüßung.
    Mert lächelte aus Freude über das Wiedersehen, lustig fand er die Bemerkung nicht. Ali sah ihn ernst an, er hatte keinen Spruch gemacht.
    »Ich weiß. Ich kann nicht trainieren.« Mert sah an sich herunter und schämte sich für seine Erscheinung. Er schloss seine rechte Faust und öffnete sie wieder, eine Ausrede ohne Worte.
    »Immer noch die Hand?«
    »Ja.«
    »Wie lange ist das denn schon her? Die muss doch dreimal wieder zusammengewachsen sein.«
    »Aber ich bin außer Form, muss erst mal wieder anfangen zu laufen.«
    »Sogar Borau war schon wieder beim Verbandstraining. Und der hatte echt das kürzere Ende für sich.«
    »Boxt der wieder?«
    »Nee, der hat aufgehört. Aber er hält sich fit und genießt seine gelegentlichen Besuche als Stargast.«
    »Soll er. Hat er sich verdient.«
    »Die Jungs fragen nach dir.«
    Mert konnte den Vorwurf in Alis Stimme nicht überhören und fragte sich, was er ihm getan hatte.
    »Ist es wegen Nadja?«, fragte Ali.
    »Was soll wegen der sein?«
    »Machst du dich immer noch fertig wegen der Frau?«
    »Wie kommst du denn darauf?«
    »Weil du sie beschissen und dann verlassen hast und dir erst später aufgegangen ist, was du für ein Glück hattest, dass die dich überhaupt mit dem Arsch angesehen hat.«
    »Ich hab sie nicht verlassen, sie hat mit mir Schluss gemacht.«
    »Das hat Felix aber anders erzählt.«
    »Wann hat Felix das denn erzählt?«
    »Schon vor Ewigkeiten. Als es passiert ist.«
    »Und du hast mir nichts gesagt?«
    »Ist ja wohl deine Sache, wie du mit deiner Frau umgehst.«
    »Auf jeden Fall hab ich sie nicht verlassen.«
    »Wie du meinst.«
    So standen sie eine Weile vor der Kneipe. Die Freude über das Wiedersehen war verflogen. Das Unwohlsein nahm überhand. Mert fühlte sich schlecht. Er genügte seinen An sprüchen nicht mehr und denen seines Freundes schon gar nicht. Er fühlte sich seit

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