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Schlag weiter, Herz

Schlag weiter, Herz

Titel: Schlag weiter, Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davic Pfeifer
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Kleine, »wie Abmachung.«
    Die Männer wirkten höflich, und auch der Große machte keinen bedrohlichen Eindruck. Nur die absolute Ruhe, in der sie ihnen gegenübertraten, machte Mert nervös.
    Der kleinere Mann war der Verhandlungsführer. Stefan setzte sich mit ihm an den Tisch und schob die Vase zur Seite, um sein Kotelett-Paket hinzuknallen. Er tat das mit Schwung, so als wollte er eine starke Geste gegen die Regungslosigkeit seines Gegenübers setzen. Mert positionierte sich hinter Stefan an der Tür und fragte sich, wer wohl auf die Idee gekommen war, diesen tristen Ort mit Plastikblumen zu dekorieren.
    Der Große, offenbar für die Sicherheit seines Chefs verantwortlich, lehnte Mert gegenüber an der Bar. Er nahm eine Holzschachtel aus dem hinteren Regal und brachte sie zum Tisch. Tiegelchen und Röhrchen lagen darin, wie in einem Chemiebaukasten. Der Chef öffnete Stefans Paket sorgfältig an einem Ende. Er entnahm eine Prise, vermischte diese mit einer Flüssigkeit und wartete auf das Ergebnis. Niemand sagte ein Wort. Der Chef lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und blickte stoisch auf die Lösung in dem Glasschälchen.
    Stefan ruckelte auf seinem Stuhl hin und her. Er schniefte und tappte mit den Fingern auf der Tischplatte, bis er bemerkte, wie nervös ihn das wirken ließ. Dann schob er die Hände in die Hosentaschen. Mert kratzte sich verlegen am Bart.
    »Wieso zieht ihr euch das Zeug nicht durch die Nase? Das haut euch weg«, sagte Stefan.
    »Ich nemm nich selbber«, sagte der Chef. Er sprach schlechter Deutsch als die Klitschkos. Jedes »ch« wurde betont, als wollte er dabei Schleim vom Gaumen lösen.
    Die Lösung verfärbte sich hellblau.
    »Qualität schlecht. Kauffe ich nicht.«
    »Was? Wieso denn?« Stefan zerrte seine Hände aus den Hosentaschen, griff sich das Paket und hielt es in die Höhe. »Wir haben eine Vereinbarung, das ist astreines Zeug. Wollt ihr jetzt den Preis drücken oder was?«
    Stefan schob sich auf dem Stuhl nach vorne und wedelte mit dem Paket vor den Augen des Kleinen. Der Albaner an der Bar machte sich größer, ohne dabei seine Körperhaltung zu verändern.
    »Preis egal. Kauffe nich.«
    »Du musst das kaufen! Wir haben eine Abmachung. Unter Hamburger Kaufleuten gilt das Wort!«
    Mert war fassungslos. Hamburger Kaufleute, dachte er, woher nimmt er den Quatsch? Wäre die Situation nicht so unschön gewesen, Mert hätte gelacht.
    »Du bist Betrügger. Nicht derselbe Qualität wie Probbe.«
    Stefan sprang auf. Flink und ungerührt zog der Mann am Tresen eine Pistole aus seiner Lederjacke und schoss Stefan in den rechten Oberschenkel, bevor dieser seinen Chef erreichen konnte.
    Stefan landete auf seinem Knie. Er sah aus wie ein Boxer, der einen Wirkungstreffer kassiert hat und lieber angezählt wird, als einen weiteren Schlag einzustecken. Stefan schrie nicht, unterdrückte nur ein Stöhnen. Mert erstarrte und wunderte sich, wie schnell alles gegangen war, wie unspektakulär sich ein Schuss in Wahrheit anhörte. Ein stumpfes Geräusch, unangemessen leise.
    Mert spürte, dass hier etwas kaputtging, was sich nicht mehr reparieren ließ, und es war nicht Stefans Bein. Sie hatten eine Grenze übertreten. Hier waren sie nicht hart und stark, keine Meister, sondern kleine Lichter, die man blitzschnell auslöschen konnte. In dem Moment, in dem sich alles abspielte, spürte Mert eine Verkrüppelung in sich. Er würde für den Rest seines Lebens daran leiden, selbst wenn die Sache noch gut ausging.
    Mert sah keine Möglichkeit einzugreifen. Der Große hätte sein halbes Magazin in ihn gejagt, bis er in Schlagdistanz kam.
    Stefan zog sich am Tisch hoch und ließ sich vorsichtig auf den Stuhl sinken. Der Lauf der Pistole folgte ihm wie eine Wünschelrute. Der Große griff mit seiner freien Hand eine Flasche Schnaps und klemmte ein Glas unter einen Finger. Er ging zum Tisch, stellte Flasche und Glas vor Stefan ab und schenkte bis zum Rand ein, die Waffe immer noch im Anschlag. Er verhielt sich wie ein Schalterbeamter, der gerade einen Bescheid ausgestellt hatte. Es war keine Wut zu spüren, ein normaler Vorgang.
    Merts Gedanken begannen zu rasen. Bei seinem Gang zum Tisch war der Große näher gekommen, aber immer noch zu weit weg, um anzugreifen. Das Blut durchtränkte Stefans Jeans, ein erster Tropfen löste sich vom Hosenbein und fiel auf den Boden. Stefan trank das ganze Glas leer und stellte es wieder ab. Ein tiefer, seufzender Laut kam aus seiner Kehle.
    »Was machen wir

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