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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evi Simeoni
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sind ein bisschen dünn.
    Schon spürte ich auf dem Oberarm einen dicken Regentropfen. Ein Windstoß ließ mich zusammenfahren. Ich packte mein Zeug und wollte nach den anderen schauen, doch in unserer Ecke war schon keiner mehr. Das goldene Feuerzeug steckte ich hinten in meine Jeans. Es stimmte ja, Rauchen war ungesunder Blödsinn. Ich nahm mir vor, damit aufzuhören. Dann fiel mir ein, dass er kein Wort zu meiner Raucherei gesagt hatte.
    Dass ich ihm Sätze in den Mund legte, die er nie gesagt hatte, wurde meine nächste schlechte Angewohnheit. Ja, ich konstruierte ganze Dialoge für uns, von denen ich später selbst nicht mehr so genau wusste, ob wir sie wirklich geführt hatten. Ich garnierte sie mit seinen norddeutschen Sprüchen und schob ihm hier und da ein »Ja, nech?« unter.
    Am Anfang machte mich seine Schweigsamkeit nervös, doch sie hatte Vorteile. Er stand vor mir wie eine weiße Leinwand und ich konnte darauf malen, was auch immer ich wollte.
    Das Gewitter ging los und ergoss sich über die Stadt. Zwei Stunden später stellte ich trotzdem mein Auto vor das blaue Mietshaus und wartete auf ihn. Der Regen hatte aufgehört, doch das Wasser tropfte von den davorstehenden Bäumen. Die Luft war frisch, und er kam auch wirklich ziemlich pünktlich mit seinem Fahrrad angefahren. Er hatte ein anderes T-Shirt angezogen, trug aber immer noch die gleiche Sporthose, der Matchsack hing quer über seinem Rücken. Zum ersten Mal hatte ich den Eindruck, dass er mich wirklich wahrnahm.
    »Hallo«, sagte er. Als Erster.
    »Wie war dein Training?«
    Er brummte etwas Unverständliches.
    »Wie konntet ihr denn überhaupt aufs Wasser gehen bei dem Gewitter?«
    Er schüttelte den Kopf. »Kraftarbeit.«
    Dann zeigte er auf sein Fahrrad.
    »Ich bringe es schnell rein.«
    Er war rasch wieder da, jetzt trug er eine abgewetzte, schwarze Motorradjacke. Auf das Auto schauend sagte er, er wolle lieber zu Fuß gehen.
    Ich zeigte die Straße hinunter.
    Wir brauchten ungefähr zehn Minuten bis zu dem Biergarten. Die einzigen Worte, die wir bis zur Ankunft sprachen, galten der Frage, ob das Lokal nach dem Gewitter überhaupt offen habe.
    Wir hatten Glück. Die Tische und Stühle waren sogar schon trockengewischt, wir setzten uns auf zwei Plätze am Rand. Kaum saßen wir, bemerkte ich, dass ein paar Tische weiter Sandrine mit zwei mir unbekannten Mädchen saß. Ich hoffte inständig,sie würde spüren, dass sie nicht erwünscht war. Sandrine hatte ihre Augen stets überall, weil sie, wie sie sagte, den Mann nicht verpassen durfte, den das Leben für sie vorgesehen hatte. Sie studierte Germanistik und war damals meine Nachbarin im Wohnheim. Wenn wir beide Zeit hatten, kam sie herüber, trank Wein in großen Zügen und trug mir Liebesgedichte vor, die sie zum Teil selbst geschrieben hatte. »So ein Mist«, sagte sie, wenn sie betrunken war. »Warum hat mich keiner davor gewarnt, dass Germanistikstudenten hässlich, pickelig und unsportlich sind.« Dann schaute sie an ihrem eigenen, nicht gerade zierlichen Körper herunter und seufzte. »Ich sollte Sport studieren.«
    Sandrine beobachtete uns, das spürte ich im Nacken, als wir die Speisekarten durchblätterten. Als ich mich kurz umdrehte, sah ich die drei tuscheln, ihre Blicke galten Arne. Kein Wunder: Arne konnte noch so zerlumpt daher kommen – er war ein Blickfang. Ich fühlte mich kurz, als hätte ich eine Trophäe gewonnen. Immerhin hatte ich ihn aus eigenem Antrieb angesprochen und mitgenommen, nun saß er bei mir. Ich machte ihn auf die Mädchen aufmerksam, doch das hätte ich besser nicht getan. Er setzte sich um, mit dem Rücken zu ihnen und legte verlegen seine Hände in den Schoß.
    Wir bestellten zwei große Apfelschorlen, und wir hätten uns wahrscheinlich stundenlang verstockt wie ein altes Ehepaar gegenübergesessen, wenn ich nicht nach seinem Sport gefragt hätte. Arne setzte sich plötzlich gerade, legte die Arme locker auf den Tisch und fing an zu erzählen. Über das Sommertraining und das Wintertraining. Über den Test im Frühjahr, bei dem es um die Plätze in den Booten ging. In welchen Booten? Arne gab zu – ja, so hatte es sich angehört – er gab zu, dass er Mitglied der Nationalmannschaft sei und dass er in zwei Wochen bei der Weltmeisterschaft starten wollte. Dass er nach dem Trainingslager nur kurz nach Hause gekommen sei und gleichwieder wegmüsse. Ich schaute auf seine Hände. Als ich wieder hinhörte, hatte er angefangen, sich zu beklagen.
    »Der Trainer

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