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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evi Simeoni
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hat zu viel zu sagen. Er hält sich für allmächtig. Und es stimmt ja. Er kann alles mit uns machen.«
    Arne redete über Ali, seinen Trainingspartner, es war das erste Mal, dass ich seinen Namen hörte. »Gemeinsam haben wir die anderen abgezogen«, sagte er. »Aber ich glaube, jetzt will er mich plattmachen.«
    »Kann er das denn?«
    »Ach was, der ist ein Angeber.«
    Schließlich echauffierte er sich über den Mannschaftsarzt, der von ihm verlangte, sein Knie zu schonen, das vor einem knappen Jahr operiert worden war.
    »Ist es nicht besser, vorsichtig zu sein?«, fragte ich.
    »Quatsch«, sagte er. »Es ist alles in Ordnung. Ich muss es doch wissen.«
    Er redete über Ergometertests und seine Überlegenheit an diesem Gerät. »Hast du eine Ahnung, wie hart das ist?«, fragte er und schaute mich direkt an, mit einem kleinen Grinsen im Mundwinkel. »Da gibt es keine Gnade.«
    Ich kannte bis dahin nicht einmal das Wort Ergometer und zuckte die Schultern. »Ein gnadenloses Gerät?«
    Da lächelte er. Es war das erste Mal, dass ich seine Grübchen sah. Frustrierend, dass er es erst jetzt hervorbrachte. Ich fand das Thema Ergometer nicht besonders amüsant. Doch nun wusste ich wenigstens, dass es ein Lächeln gab. Daran konnte ich mich festhalten. Ich versuchte künftig alles, um es wieder hervorzulocken.
    »1500 Meter«, sagte er, »wir auf Bahn drei bei leichtem Schiebewind. Der Steuermann gibt das Zeichen, und ich erhöhe die Schlagzahl. Alle ziehen mit. Russland neben uns kann nicht mehr folgen. USA fällt zurück.« Er schaute mich triumphierendan und lächelte breit. »Am liebsten wäre es mir«, sagte er und fuhr mit einer Hand die Maserung des Holztisches nach, »das ganze Leben würde ablaufen wie ein Ruderrennen. Klar festgelegte Start- und Ziellinie, einigermaßen faire Bedingungen, gleichmäßige Schläge. Einer wie der andere.«
    Und wieder ein Lächeln.
    Ein Leben wie ein Ruderrennen? Ich scherzte und zog Grimassen, damit er auch einmal für mich lächelte, ich schenkte ihm Gänseblümchen und einen Teddybären aus Stoff, ich bot mich ihm an, er nahm es schweigend hin und ließ mich weiterkämpfen, und ich dachte: »Irgendwo da drinnen, hinter dieser schroffen Fassade, ist der Arne, der mich lieben wird.«
    Nach einer Weile gingen mir die Sportfragen aus. Er erzählte mir, dass er mit Nachnamen Hansen hieß, und ich sagte, dass mir sein Name sogar bekannt vorkäme. Er erklärte mir, dass er sich angewöhnt hatte, alle möglichen Briefe und Nachrichten mit einer liegenden Acht zu unterschreiben, das sei sein Symbol, schöner als dieser Allerweltsname Hansen, eigentlich brauche er keinen festen Namen. Das mache er schon seit seiner Juniorenzeit in Norddeutschland, sagte er.
    »Wie sind denn so deine Eltern?«, fragte ich.
    Es war die falsche Frage. Nicht nur an diesem Abend erzählte er kein Wort über seine Eltern. Ich erfuhr von ihm praktisch nichts über sie außer ihrem Namen.
    Er gähnte, und ich schlug vor, zu gehen.
    Ich zahlte. Er hatte kein Portemonnaie dabei.

ALI,
    Zusammenfassung einer Tonbandaufzeichnung, Dienstag, 22. April 2008
    Ich frage mich: War ich das wirklich damals in dem Boot? Irgendwann im Lauf eines Lebens muss man sich wohl von einer abgelebten Identität trennen und die nächste annehmen.
    Als ich meine Frau Katja kennenlernte, habe ich erst einmal kein Wort davon gesagt, in welcher Leistungsklasse ich mich als Sportler bewegt hatte. Sie wusste, dass ich ruderte, aber stellte sich das eher vor wie ein anstrengendes Hobby. Ich habe es ihr nicht verschwiegen – es fiel mir einfach nicht ein. Damals hatte ich mein Physikum hinter mir und ganz andere Dinge im Kopf, ich musste eine Menge Entscheidungen für die Zukunft treffen. Erst als wir zusammengezogen sind, hat sie beim Ausräumen meines Kleiderschranks ganz hinten die kaputte Geldkassette mit meinen Medaillen gefunden. Die Goldmedaille von Olympia und die ganzen anderen Dinger. Die frühen Trophäen, die ich Arne zu verdanken habe. Und die späteren, für die ich selbst die Verantwortung trug. Auch den Videofilm von unserem Olympiasieg hat sie gefunden und gefragt, ob sie ihn sich mal ansehen darf.
    Katja war gleichzeitig beeindruckt und beleidigt. »Wieso hast du mir das verschwiegen?«, fragte sie.
    Ich gewöhnte mir an, die Aufnahme immer wieder einmal einzulegen, wenn ich durchhing, um mich daran hochzuziehen. Es klappte garantiert, manchmal reichte schon der Start, um mich in Hochstimmung zu versetzen. Eigentlich lernte

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