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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evi Simeoni
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er kauerte auf seinem Sitz wie eine Marionette ohne ihre Fäden.
    Warum das geschehen war? Darüber dachte keiner von uns nach. Jeder hatte mit sich selbst zu tun. Wir waren alle Rivalen. Arne reagierte wie immer. Er schwieg.
    Wir gewannen den Titel im Achter, es war mein erster bedeutender Triumph ohne den großen Meister. Er wurde Weltmeister im Vierer. Das war seine Antwort. Er legte all seine Wut und Enttäuschung in dieses Rennen. Dies, zusammen mit seiner Erfahrung, war eine unwiderstehliche Kombination. Die drei anderen können sich bei ihm für diesen Titel bedanken.
    Erst nach dem Sieg beschwerte er sich über den Trainer, nannte ihn unmenschlich und hart, weil er ihm den ihm zustehenden Platz weggenommen und mir gegeben hatte.
    »Ich bin der Schlagmann«, sagte er ihm vor allen anderen. »Ich.«
    Rein sportlich gesehen hatte Arne Unrecht. Der Achter gewann schließlich auch ohne ihn. Dazu kam das Gold im Vierer. Der Trainer hatte das Optimum herausgeholt. Wir haben ihm das immer wieder versucht zu erklären, aber Arne machte dicht.
    Ich erinnere mich an einen Moment am Regattaplatz, an dem ich erstmals ganz klar erkannte: Irgendetwas läuft falsch. Ich war spät dran, weil ich bei der Dopingprobe lange nicht hatte pinkeln können, und sah, dass Arne und seine drei Mannschaftskollegen noch am Getränkestand saßen. Gleich sollte eine Farewell-Party beginnen, die Musik begann gerade zu spielen, aber es war ausgemacht, dass wir erst einmal alle ins Hotel fahren sollten. Ich hoffte, dass sie mich im letzten Kleinbus mitnehmen würden, der noch auf dem Parkplatz stand, und lief zu ihnen.
    Anja war dabei. Ein Journalist. Vielleicht sogar du, Paco? Sie wirkte beunruhigt. Ich sah, dass vor Arne ein großer, leerer Henkelkrugstand. Er packte ihn, hob ihn hoch und schlug ihn mit Schwung auf den Biertisch. Ich dachte an den Abend nach unserem Olympiasieg.
    Ich hätte Arne gerne gratuliert, aber sein Blick warnte mich. Darum ging ich zu Anja und versuchte, mit ihr ein Gespräch anzufangen. Er saß da, sauer, bedrückt und irgendwie gefährlich gestimmt, mit seiner Goldmedaille auf der Brust, der falschen, seiner Ansicht nach, sah mich an, stand dann auf und ging weg.
    Von außen sah es vielleicht wie eine Party aus, aber ich glaube, es war Arnes Waterloo.
    Wir wussten nicht, wie hart ihn die Degradierung getroffen hatte. Wir merkten es nicht einmal, als wir mit ihm zusammen im Kleinbus ins Hotel fuhren. Arne setzte sich auf den Beifahrersitz, der Steuermann fuhr, wir anderen verteilten uns hinten. Wir saßen müde und schweigend da, wie meistens am Abend nach einem Rennen, wir konnten alle nicht mehr, wollten uns regenerieren und später für das Bankett wieder fit sein. Arne lehnte in einer Ecke. Offenbar machte ihm der Alkohol zu schaffen.
    Der Bus stand an einer Ampel, als es passierte. Arne richtete sich plötzlich auf, holte aus und schlug mit der Faust gegen die Seitenscheibe. Ich sah erst auf, als ich das Geräusch hörte. Das Autoglas klirrte nicht, es knirschte eher. Ich sah, wie Arne seine Faust sinken ließ, sein Gesicht von Schmerz verzerrt. Im Fenster ein Spinnennetz von Rissen, die Scheibe leicht eingedellt, aber nicht durchgeschlagen, und in der Mitte ein verschmierter Blutfleck. Sie zerbrach nicht, Gott sei Dank, dabei hätte er sich übel die Hand zerschnitten.
    »Arne!«, schrie ich.
    Er sank in seinen Sitz und brütete vor sich hin, unansprechbar, weit weg. Ich hatte das Gefühl, als hätte er die Halterungen seiner Persönlichkeit für ein paar Sekunden verloren. Der Steuermann aber fing an zu lachen und rief:
    »Arne, ruhig.«
    Er drückte zum Spaß auf die Hupe.
    »Drei Halbe Bier«, spottete er, »so viel verträgt der Weltmeister nicht.«
    Die anderen lachten mit.
    Ich griff nach Arnes Handgelenk, um zu sehen, ob er sich verletzt hatte, aber er machte sich steif.
    Als mein Blick auf die Delle in der Scheibe fiel und ich Arnes Blut daran kleben sah, fühlte ich mich schuldig. Ich konnte nicht anders. Nicht, weil ich an jenem Tag ohne ihn Weltmeister geworden war. Sondern einfach, weil ich existierte.
    In den folgenden Wochen gingen wir einander aus dem Weg, Arne und ich. Ich ging nicht einmal zur Weltmeister-Feier in unserem Klubhaus. Erst in einem Feriencamp in Spanien trafen wir wieder aufeinander. Dorthin wurden wir als erfolgreiche Sportler für eine Woche eingeladen – als Belohnung, aber auch als Werbung. Wir kamen kostenlos dorthin und waren in bester Gesellschaft – ausschließlich

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