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Schlagmann

Schlagmann

Titel: Schlagmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evi Simeoni
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heute noch Unbehagen.
    Ich erwachte davon, dass Arne schrie und um sich schlug. Wir schliefen in seiner Wohnung, es war Sommer. Die Rollläden hatte er wie immer dicht geschlossen, so dass ich nicht wusste, ob es auch draußen noch dunkel war. Ich musste aufstehen, um Licht zu machen, und sah ihn auf dem Rücken liegen, zitternd vor Erregung. Er schlug mit den Fäusten auf die Matratze und wimmerte, sein Gesicht war blass und verzerrt. Ich setzte mich zurück aufs Bett und berührte vorsichtig seine Schulter. Er erschrak, richtete sich auf und schob mich mit beiden Händen heftig von sich.
    »Geh wech!«
    Ich dachte: Wahrscheinlich ist dies der Moment der Wahrheit.
    Trotzdem strich ich vorsichtig über seinen Oberarm. Arne atmete tief aus und ließ sich aufs Bett zurückfallen. Er öffnete seine Augen, ich legte die Hand auf seine Stirn und sagte:
    »Hab keine Angst, Arne.«
    Er fragte in verstörtem Ton, was los gewesen sei.
    »Du hast schlecht geträumt.«
    »Ich habe nicht geträumt. Ich habe nicht geschlafen. Wie viel Uhr ist es?«
    Ich sah auf meine Armbanduhr. »Gleich fünf.«
    Es war heiß und stickig in dem Zimmer. Er erlaubte, dass ich den Laden hochzog und das Fenster weit öffnete. Draußen dämmerte es bereits, und Vögel sangen. Ich holte uns zwei Gläser Wasser, er trank in großen Schlucken.
    Eine unbestimmte Angst packte mich. Dieses »Geh weg« von eben schien mir wie die Zusammenfassung unserer Beziehung.
    Es war mein Geburtstag, darum war ich bei ihm. Er wusste es, ich hatte ihn am Abend noch einmal daran erinnert. Jetzt griff er auf den verstaubten Nachttisch neben seinem Bett, wo erseit einiger Zeit ständig Zigaretten und ein Feuerzeug liegen hatte. Er richtete sich auf, steckte sich eine an, schaute kurz in meine Richtung und dann gleich wieder weg. Trotz der Hitze trug er ein Shirt mit langen Ärmeln.
    Ich fragte möglichst beiläufig:
    »Geht es wieder?«
    »Muss ja irgendwie.«
    Ich unterdrückte den Impuls, ihn noch einmal an meinen Geburtstag zu erinnern. Es war sowieso sinnlos.
    Arne begegnete mir immer noch freundlich, aber desinteressiert. Wie es mir ging, wollte er nicht wissen – das war bitter, aber wahr. Er hatte überhaupt keine Fragen an mich.
    Ich setzte mich neben ihn aufs Bett und stopfte mir ein Kissen in den Rücken. Er rauchte stumm. Wahrscheinlich war es die unwirkliche Atmosphäre des heraufziehenden Morgens, die mir den Mut gab, ihn endlich zu fragen, was mit ihm los war.
    »Wieso kapselst du dich so ab? Wieso freust du dich nicht darüber, dass ich bei dir bin? Und warum bis du so hart zu dir selbst?«
    Arne zog die langen Beine an und stützte seine Ellbogen darauf.
    »Ich weiß nicht …«, sagte er in tastendem Ton. »Sieht so aus, als ob ich ein paar Probleme hätte …«
    Ich wollte mich nicht lächerlich machen und ihn nach seiner Kindheit fragen, aber dann fiel mir nichts Besseres ein.
    »Kann es sein, dass dich irgendein schlimmes Erlebnis traumatisiert hat?«
    Arne wirkte beinahe erleichtert.
    »Kann sein …« Er nahm noch einen Zug.
    »Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich als Kind zusammen mit zwei Schulfreunden die Leiche eines Nachbarsjungen gefunden habe. Er hatte sich in einem Baum erhängt.« Er schautemich erwartungsvoll an. »Meinst du, es liegt daran, dass ich manchmal so abgestumpft bin?«
    »Ein Nachbarsjunge?« Ich fuhr ihm mit der Hand über das Haar. »Das ist ja wirklich traurig. Wie hieß er denn?«
    Arne zögerte.
    »Weiß ich nicht mehr.«
    »Die Geschichte könnte vielleicht einiges erklären.«
    Arne war aber noch nicht fertig. »Drei meiner Großonkel haben sich umgebracht«, sagte er. »Zwei haben sich erschossen, einer mit Schüssen in Kopf und Bauch, der andere nur in den Kopf. Der dritte war auf dem Weg, sich totzusaufen. Das ist ihm aber nicht mehr gelungen. Er ist vorher betrunken eine Treppe hinuntergestürzt und an einer gerissenen Ader gestorben.«
    Während er sprach, rieb er abwechselnd seine Hände und kratzte sich. Ich sah in sein ausdrucksloses Gesicht. Keine Träne.
    »So«, sagte er abschließend und drückte seine Zigarette auf der Glasplatte seines Nachttisches aus. Sein Ärmel rutschte dabei hoch, und er strich ihn hastig wieder herunter. »Jetzt weißt du alles.«
    »Arne, sagst du mir auch die Wahrheit?«
    Seine Antwort war unverständlich. Nicht viel mehr als ein Brummen. Dann legte er sich wieder hin, drehte mir den Rücken zu und zog die Decke über seinen Kopf.
    Ich war überflüssig.
    Auch jetzt gab es noch

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