Schlamm, Schweiß und Tränen
für mich
Unabhängigkeit - und diese riskante, aber erfolgreiche Mission bedeutete außerdem, dass mein Kampfgeist so langsam wieder zurückkehrte.
Nun konnte ich auch wieder lächeln.
Kurz bevor sich der Unfall ereignete, hatte ich ein tolles
Mädchen kennengelernt, das in Cambridge studierte.
Dank meiner neu gewonnenen Mobilität bin ich dann immer wie
ein Wahnsinniger die Autobahn entlang gebrettert, um mich nach
unserer letzten allabendlichen Anwesenheitskontrolle im Reha-Zentrum mit ihr zu treffen. Meistens habe ich sie zum Essen eingeladen,
anschließend bei ihr übernachtet und bin dann morgens früh um vier
Uhr aufgestanden und in zwei Stunden nach Headley Court zurückgerast, um pünktlich zur ersten morgendlichen Anwesenheitskontrolle wieder auf der Matte zu stehen.
Die Reha-Mitarbeiter hatten keine Ahnung. Sie konnten ja nicht
davon ausgehen, dass jemand so bescheuert sein kann.
Ich kann mich noch daran erinnern, dass es - immerhin war es
mitten im Winter - meist so bitterkalt war, dass ich das Stützkorsett
über meinen Lederanzug gezogen hatte und einhändig gefahren bin,
weil ich meine Hände abwechselnd an den Motorblock gehalten habe,
um sie zu aufzuwärmen. Da sag noch mal einer was über einen waghalsigen, gefährlichen Fahrstil. Aber irgendwie hat es richtig Spaß gemacht.
Allerdings ist diese Beziehung kurze Zeit später eingeschlafen -
das Mädel aus Cambridge war einfach viel zu clever für mich. Außerdem habe ich so meine Zweifel, ob ich überhaupt die nötige Beständigkeit für eine Beziehung hätte aufbringen können.
Denn während meiner Zeit in der Reha kreiste ein Großteil meiner Gedanken um den Mount Everest. Dadurch hatte ich wenigstens
etwas, worauf ich hinarbeiten konnte - ein Ziel vor Augen -, ganz
gleich, wie weit ich auch davon entfernt war, dieses Ziel zu erreichen.
Allerdings hat niemand in meiner Familie dieses Vorhaben wirklich ernst genommen. Schließlich konnte ich ja noch nicht einmal
halbwegs vernünftig gehen. Trotzdem war es mir absolut ernst damit.
Interessanterweise hat sich jedoch keiner der Reha-Mitarbeiter
über mich lustig gemacht. Schließlich wussten sie alle, dass es bei einer Reha einzig und allein darauf ankommt, sich auf neue Ziele zu
konzentrieren. Aber ich habe auch gespürt, dass manche von ihnen
wirklich geglaubt haben, dass es durchaus möglich wäre.
Von den zahlreichen Everest-Expeditionen, die von Angehörigen
der britischen Armee geleitet wurden, ist allerdings nur eine Expedition jemals bis zum Gipfel vorgedrungen. Es waren zwei der durchtrainiertesten, stärksten und erfahrensten britischen Bergsteiger, die den
Gipfel erklommen haben.
Auf dem Höhepunkt ihrer körperlichen Leistungsfähigkeit haben
diese beiden Männer sogar als Elitesoldaten beim SAS gedient. Sie
hatten diese Gipfelbesteigung mit allerletzter Kraft geschafft und sind
auch nur mit knapper Not mit dem Leben davongekommen, wobei
sie nicht nur entsetzliche Erfrierungen erlitten, sondern auch Gliedmaßen verloren haben.
Doch für mich war das alles zunächst einmal Zukunftsmusik.
Das Einzige, worauf es ankam, war, dass ich etwas hatte, wofür ich
mich kräftig ins Zeug legen konnte. Dabei spielte es überhaupt keine
Rolle, wie unrealistisch es schien, ein solches Vorhaben tatsächlich zu
verwirklichen.
Das Leben hat mich gelehrt, dass man sich vor einem Mann mit
einem Traum in Acht nehmen muss, und ganz besonders vor einem
Mann, der dem Tod noch einmal von der Schippe gesprungen ist.
Denn ein solches Erlebnis entfesselt ein unglaubliches Feuer und eine
ganz eigenwillige Verwegenheit in einem Menschen, die man nur
schwer beschreiben kann.
Außerdem kann man mit solchen Menschen eine Menge Spaß haben.
Schon bald darauf wurde ich aus dem Reha-Zentrum entlassen
und wieder zum SAS zurückgeschickt. Allerdings, so die fachlichen
Einschätzung des Arztes, sollte ich nicht mehr als militärischer Fallschirmspringer eingesetzt werden. Das wäre zu riskant. Eine einzige
unsanfte Landung bei Nacht in voller Ausrüstung könnte schon reichen, um meine zusammengeflickte Wirbelsäule zu zerbröseln.
Dabei hatte er noch nicht einmal die extremen Geländemärsche
erwähnt, die wir mit schwerem Gepäck auf dem Rücken zu absolvieren hatten.
Jeder, der Mitglied in einer Spezialeinheit ist, weiß, dass ein schwacher Rücken keine gute Voraussetzung ist, um seinen Dienst als Soldat in einer SAS-Einheit zu erfüllen.
Außerdem ist es ein
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