Schlamm, Schweiß und Tränen
erklären. Doch in diesem Zusammenhang kann ich nur auf dieses Zitat
verweisen, in dem es heißt: „Wenn Du erst fragen musst, wirst Du es
nie verstehen."
Ich hatte einfach das Gefühl, dass dies möglicherweise meine
Chance war: Meine erste reale und vielleicht einzige Chance, diesen
Traum zu verwirklichen und eines Tages oben auf dem Gipfel des
Mount Everest zu stehen.
Tief in meinem Innersten wusste ich, dass ich diese Chance ergreifen musste.
Neil erklärte sich bereit, mich in sein Everest-Expeditionsteam
aufzunehmen, je nachdem, wie gut ich mich bei einer für Oktober
geplanten Expedition ins Himalaja-Gebirge schlagen würde. Als ich
das Telefonat mit Neil beendete und den Hörer auflegte, wurde mir
auf einmal ganz mulmig ums Herz, weil ich gerade eine Verpflichtung eingegangen war, die mein Leben nachhaltig verändern sollte -
entweder zum Besseren oder zum Schlechteren.
Immerhin wollte ich ja noch mal ganz von vorn anfangen - das
war jetzt der Neuanfang und ich fühlte mich lebendig.
Ein paar Tage später habe ich dann meiner Familie diese Neuigkeiten unterbreitet. Meine Eltern - und ganz besonders meine
Schwester Lara - nannten mich selbstsüchtig, gemein und dann bescheuert.
Irgendwann haben sie mir dann aber doch ihren Segen gegeben, allerdings war er an die Bedingung geknüpft, dass meine Mutter sich von
meinem Vater scheiden lassen würde, falls ich dort oben sterben sollte,
weil nämlich mein Vater derjenige gewesen wäre, der mich vor etlichen
Jahren überhaupt erst auf diese „bescheuerte Idee" gebracht hätte.
Mein Vater lächelte nur.
Aber die Zeit hat schließlich für mich gearbeitet, denn sogar meine Schwester änderte ihre anfangs sehr ablehnende Haltung und fing
an, mich bei meinem Vorhaben zu unterstützen - was in erster Linie
auf ihr Bestreben zurückzuführen war, mich unbedingt am Leben zu
erhalten.
Was mich betraf, so musste ich lediglich dafür sorgen, dass ich
mein Versprechen einlöste und auf mich aufpasste.
Der Zufall wollte es, dass zum selben Zeitpunkt, als wir damals
am Mount Everest waren, vier Menschen auf tragische Weise am Berg
ums Leben gekommen sind - vier begnadete, kräftige Bergsteiger.
Daher lag es genau genommen letztlich nicht in meiner Macht,
meiner Familie ein derartiges Versprechen zu geben.
Mein Vater wusste das.
Der Himalaja ist ein zusammenhängendes Hochgebirgssystem in Asien, das sich über eine Länge von rund 3.000 Kilometern erstreckt und entlang der Nordgrenze von Indien verläuft. Die gigantische Größenordnung der Ost-West-Ausdehnung dieser Gebirgskette kann man sich nur schwerlich vor Augen führen - doch wenn
man sich vorstellt, dass sie sich durch Europa ziehen würde, so würde
sie sich grob gerechnet von London bis nach Moskau erstrecken.
In diesem Gebirgssystem gibt es insgesamt 91 Gipfel, die über
7.300 Meter hoch sind - sie alle sind höher als die Gipfel anderer Gebirgszüge auf anderen Kontinenten. Und im Zentrum dieses atemberaubenden Gipfelpanoramas befindet sich der Mount Everest - der
höchste Berg der Erde.
Besteigungsversuche gab es viele, aber erst am 9. Mai 1953 gelang
es schließlich Edmund Hillary und Sherpa Tenzing Norgay, den Gipfel des Mount Everest zum ersten Mal zu ersteigen. In den Jahren davor hatten schon viele Bergsteiger dies versucht, doch viele waren dabei ums Leben gekommen - bei dem Versuch, das scheinbar Unmögliche zu erreichen.
In den 1990er-Jahren wurden vermehrt kommerzielle HimalajaExpeditionen unternommen, um den Mount Everest zu besteigen.
Bergsteiger bekamen nun die Chance, für die Zahlung eines „Unkostenbeitrags" in Höhe von bis zu 60.000 US Dollar an einer Everest-Expedition teilzunehmen. Aber dadurch wurde eine „Gipfelbesteigung" auch für jene Kunden zugänglich gemacht, die nicht über
die notwendigen bergsteigerischen Fähigkeiten verfügten.
Und da die Expeditionsleiter von den Teilnehmern oft unter
Druck gesetzt wurden, weil diese eine entsprechende Gegenleistung
für die hohen Teilnahmegebühren verlangten, führte dies in aller Regel dazu, dass sich Teilnehmer ohne ausreichende Hochgebirgserfahrung in zu große Höhenregionen begaben und dadurch leichtsinnig
das Schicksal herausforderten.
1996 kam es schließlich zu einer verhängnisvollen Tragödie - ausgelöst durch einen schweren Schneesturm und die Unerfahrenheit der
Expeditionsteilnehmer: In einer einzigen Nacht verloren acht Bergsteiger auf dem Berg ihr Leben; in der
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