Schlamm, Schweiß und Tränen
verbessern, sobald man auf
Ende zwanzig, Anfang dreißig zugeht.
Nun ja, mit 23 wirkte sich der Faktor Alter nicht gerade zu meinem Vorteil aus, aber ich versuchte, einfach nicht daran zu denken
und auch nicht an die Zweifler.
Klar, ich war jung, aber ich war auch ehrgeizig, und in den kommenden Wochen würde es sich zeigen, ob ich der Aufgabe gewachsen
war, wenn ich mich in ein Terrain vorwagte, das höher lag als alles,
was ich bisher erklettert hatte.
Denn inzwischen stand ich vor einer harten Bewährungsprobe.
Wenn sich mein Körper nicht an die Höhe in Lager 3 anpassen könnte, müsste ich zum Basislager zurückkehren und dürfte dann nie wieder aufsteigen.
Als ich die gigantische Lhotse-Flanke hinaufschaute, die wir nun
hinaufklettern mussten, versuchte ich mir vorzustellen, wie es sich
wohl anfühlt, dort oben zu sein.
Doch ich konnte es mir nicht vorstellen.
Eine halbe Stunde, nachdem wir aufgebrochen waren, hatten wir
die Seitenmoräne aus Geröll und Eis noch immer nicht hinter uns
gelassen. Es schien so, als hätten wir uns fast überhaupt nicht weiterbewegt. Doch dann endlich erreichten wir wieder das Gletscherfeld
und machten uns daran, an der vergletscherten Lhotse-Flanke hochzusteigen, die gut 1.500 Meter steil in die Höhe ragt.
Ein stummer Wink. Nahezu windstill - abgesehen von einer sanften Brise, die über die Eisoberfläche wehte.
Doch ausgehend von Lager 2, das sich auf etwa 6.500 Metern befand, war es schon ein gewaltiger Höhensprung - gut und gerne 1.000
Höhenmeter - den wir hier zu bewältigen hatten. Denn selbst während unserer Wanderung zum Basislager waren wir bisher nur so um
die 300 Höhenmeter pro Tag aufgestiegen.
Wir wussten zwar, welches Risiko wir eingehen, wenn wir diese
unsichtbare Höhengrenze überschreiten, aber aufgrund der extremen
Steilheit dieser Wand hatten wir keine andere Wahl. Es gab einfach zu
wenige Stellen, wo wir eine Eisplatte hätten ausreichend abflachen
können, um dort ein Lager zu errichten.
Sobald wir die Strecke bis zu Lager 3 durchstiegen hätten, würden
wir ein letztes Mal zum Basislager zurückkehren. Ab da würde das
weitere Vorgehen vom Wetter abhängen.
In den folgenden fünf Stunden setzten wir unseren Aufstieg durch
das blanke, blaue Eis fort: Immer wieder haben wir die Frontalzacken
unserer Steigeisen fest ins Eis gerammt, unsere Wadenmuskeln
schmerzten, unser Atem ging schwer - und dennoch war kein Ende in
Sicht.
Die Luft war mittlerweile sehr dünn und mit jedem stockenden
Schritt, den wir uns auf dieser Eisflanke weiter nach oben kämpften,
nahm die Ausgesetztheit der Route weiter zu, sodass ein falsch platzierter Tritt einen Sturz aus großer Höhe zur Folge gehabt hätte.
Den Blick immer nur nach vorn aufden nächsten Schritt richten, nie
nach unten.
Die Sherpas waren bereits am Tag zuvor in Lager 3 eingetroffen
und hatten den Nachmittag dazu genutzt, die beiden Zelte aufzubauen. Ihr Körper war den Strapazen in dieser Höhe weitaus besser gewachsen als unserer. Ich war ja so dankbar für ihre Stärke!
Als wir das letzte Stück der Flanke hochkletterten, während unsere Steigeisen sich tief in das blau glitzernde Blankeis krallten, konnte
ich schon die Zelte sehen, die förmlich an der Rückwand eines überhängenden meterhohen Eisturms - auch Serac genannt - klebten.
Ganz schön gefährlich, dachte ich.
Aber andererseits wusste ich auch, dass der Serac einen gewissen
Schutz vor den hoch oben vom Berg abgehenden Lawinen bot.
Die Zeltplanen flatterten in dem inzwischen stärker gewordenen
Wind - faszinierend und dennoch trügerisch -, denn mit der hereinbrechenden Nacht wurde es jetzt zunehmend kälter.
Mittlerweile hatte es sogar heftig zu schneien angefangen und es
wurde ziemlich schnell dunkel.
Der Wind wehte den Schnee über die dunkle Eisfläche hinweg
und hoch in unser Gesicht.
Mick war ein Stückchen hinter Neil und mir und nachdem wir
beide uns über den Vorsprung zu Lager drei gerollt hatten, schauten
wir hinunter und sahen ihn dort unten stehen. Noch einen beschwerlichen Schritt, dann wieder eine Pause.
Schließlich taumelte auch er über den Vorsprung.
Ein kühles Lächeln huschte im Halbdunkel über sein Gesicht.
Wir waren in Lager drei angekommen.
Am Leben und vereint.
Die Kopfschmerzen, von denen ich gehofft hatte,
dass ich sie in Lager 2 zurückgelassen hätte, waren nun wieder da -
nur sehr viel stärker.
Ich schluckte ein Aspirin, achtete jedoch darauf,
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