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Schlamm, Schweiß und Tränen

Schlamm, Schweiß und Tränen

Titel: Schlamm, Schweiß und Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bear Grylls
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verlockende Vorstellung war, dann weiß ich
auch nicht.
    Irgendwie musste ich es schaffen, zu ihm in den Hubschrauber zu
steigen.
    Im Handumdrehen packte ich doch glatt in einer halben Minute
meinen ganzen Plunder der letzten drei Monate zusammen. Dann
klebte ich mir mit Tapeband ein weißes Kreuz auf den Ärmel und
sauste hinüber zu der Stelle, wo Neil saß und wartete.
    Das war meine Chance.
    Was zum Teufel hast Du denn vor?
    Neil schüttelte nur den Kopf und lächelte, als er mich angerannt
kommen sah.
    „Du lieber Gott, Bear, Du hast's jetzt aber verdammt eilig, oder?"
brüllte er gegen den Lärm der Rotorblätter an.
    „Du wirst mit Sicherheit einen ausgebildeten Sanitäter auf dem
Flug brauchen", antwortete ich mit einem Grinsen. „Und ich bin eindeutig der Richtige dafür." (In dieser Aussage war zumindest ein
Körnchen Wahrheit enthalten: Immerhin war ich als Sanitäter ausgebildet und ich war sein Kumpel - und natürlich brauchte er auch Hilfe. Aber im Grunde genommen versuchte ich schon ein wenig, seine
Lage für mich auszunutzen.)
    Der Pilot brüllte nach hinten, dass zwei Leute viel zu schwer wären.
    „Ich muss die ganze Zeit über an seiner Seite bleiben", schrie ich
durch den Lärm zurück. „Seine Füße könnten jederzeit abfallen.",
fügte ich noch leise hinzu.
    Der Pilot musterte mich und sah das weiße Kreuz auf meinem
Ärmel.
    Dann erklärte er sich bereit, Neil irgendwo weiter unten Richtung
Tal abzusetzen und danach zurückzukommen, um mich zu holen.
    „Perfekt. Flieg schon mal los. Ich warte hier so lange", sagte ich,
indem ich Neils Hand fest drückte.
    Mensch, lass mich diese Nummer bloß über die Bühne kriegen, bevor
noch irgendjemand stutzig wird, murmelte ich leise vor mich hin.

    Und schon hob der Hubschrauber ab und verschwand außer
Sichtweite.
    Mick und Henry konnten sich das Lachen nicht verkneifen.
    „Wenn Dir dieser Coup gelingt, Bear, dann fresse ich einen Besen.
Es macht Dir ganz offensichtlich 'nen Heidenspaß, so richtig über die
Stränge zu schlagen, was?", sagte Mick mit einem Grinsen.
    „Na klar doch, netter Versuch, aber den Piloten wirst Du sicher
nicht mehr wiedersehen, jede Wette", meinte Henry noch.
    Doch da lag Henry falsch, denn dieser Pilot hatte Nerven wie
Drahtseile.
    Der Hubschrauber kam leer zurück, ich sprang an Bord und dann
hob der Vogel ganz allmählich ab, denn in der dünnen, sauerstoffarmen Luft mussten die Rotorblätter auf höchster Drehzahl laufen, um
einigermaßen Auftrieb zu bekommen.
    Während wir noch im Schwebflug gegen die Schwerkraft ankämpften, piepste die optische und blinkte die akustische Stall-Warnung zwar ununterbrochen, aber dann neigte sich die Nase nach unten
und der Hubschrauber bekam endlich Auftrieb und konnte Fahrt aufnehmen, sodass wir kurz darauf das Basislager hinter uns ließen und
über die Felsen und den Gletscher hinunter in Richtung Tal flogen.
    Ich hatte das Basislager also verlassen - und Mick war vermutlich
damit beschäftigt, den Besen zu fressen.
    Als wir in den Sinkflug gingen, erkannte ich unter uns eine einsame Gestalt, die auf einem Felsen inmitten eines Felsenmeers aus riesigen Gesteinsblöcken thronte. Es war Neil und seine beiden weißen
„Luftballons" an den Füßen leuchteten uns zwischen den Felsen so
deutlich den Weg wie das Leuchtfeuer eines Leuchtturms.
    Das war einfach genial. Ich lächelte zufrieden.
    Wir nahmen Neil an Bord und im Nu waren wir wieder in der
Luft; dann schwebten wir gemeinsam frei wie ein Adler durch die
weiten Täler, die die Gebirgsketten des Himalajas durchziehen.
    Neil und ich saßen nun ganz entspannt im Hubschrauber, wir
pressten unsere Nasen gegen die Scheibe und konnten zuschauen, wie
wir uns immer weiter von jenem Ort entfernten, der in den vergangenen drei Monaten der Mittelpunkt unseres Lebens gewesen war.

    Der große Berg hüllte sich immer mehr in Nebel, seine Konturen
wurden immer verschwommener, bis er irgendwann gar nicht mehr
zu sehen war. Ich lehnte meinen Kopf an Neils Schulter und schloss
meine Augen.
    Der Mount Everest war in der Ferne verschwunden.

     

Sobald Neil und ich wieder in Kathmandu waren, haben wir irgendwie komplett abgeschaltet - und es fühlte sich
wunderbar an. Das hatten wir uns mehr als verdient, denn mitunter
tut es einfach nur gut, sich mal so richtig gehen zu lassen. Total gut.
    Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich am nächsten Morgen
- ich sah ziemlich ramponiert aus - lustlos über den

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