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Schlamm, Schweiß und Tränen

Schlamm, Schweiß und Tränen

Titel: Schlamm, Schweiß und Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bear Grylls
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näher nach Hause.
    Wir konnten ein Stück unterhalb von uns schon das Basislager erkennen und mein Atem ging vor lauter Aufregung immer schneller.
Ich hatte das Gefühl, als wäre ein ganzes Leben vergangen, seit ich
das letzte Mal hier gewesen bin.
    Die Zelte glänzten in der Sonne, während wir uns zügig unseren
Weg durch die wild durcheinandergewürfelten Eisformationen am
unteren Ende des Khumbu-Eisbruchs bahnten.
    Um 12:05 Uhr klinkten wir uns dann aus dem letzten Fixseil aus
- ein allerletztes Mal. Ich schaute noch einmal zurück auf das von oben in die Tiefe stürzende, geborstene Gletschereis des Eisbruchs
und schüttelte nur ungläubig den Kopf.

    Ganz im Stillen, tief in meinem Herzen dankte ich dem Berg dafür, dass er uns erlaubt hatte, diese Passage wohlbehalten zu durchklettern. Mit einem Mal fielen alle Sorgen und Ängste von mir ab, die
ganze Anspannung löste sich auf in Tränen der Erleichterung. Ich
konnte gar nicht aufhören zu heulen - schon wieder einmal.
    Ich konnte nur noch an meinen Vater denken. Wie schön wäre es
gewesen, wenn er jetzt hätte hier sein können. Hier neben mir.
    Aber eigentlich war er ja da.
    So, wie er die ganze Zeit über immer bei mir war.

     

Ich Spürte die wärmenden Sonnenstrahlen auf meinem
Gesicht. Nun wusste ich, dass wir endlich in Sicherheit waren.
    Die Riesenflasche Champagner, die bereits seit drei Monaten -
nahezu erhaben wie eine Buddha-Statue - im Basislager thronte, wurde jetzt mit feierlichem Zeremoniell geöffnet. Zu viert brauchten wir
fast zehn Minuten, um sie mit unseren Eispickeln freizuhauen und sie
schließlich zu entkorken.
    Jetzt konnte die Party losgehen.
    Ich hätte dieses wunderbare Blubberwasser am liebsten gleich literweise in mich hineingeschüttet, aber mein Körper war dem einfach
nicht gewachsen. Nur mit Mühe konnte ich ein paar winzige Schlückchen hinunterbringen, ohne niesen zu müssen, doch selbst nach diesen winzigen Schlückchen fühlte ich mich ziemlich schnell ausgesprochen wacklig auf den Beinen.
    Ich schloss meine Augen und kippte prompt nach hinten gegen die
Steinwand des Gemeinschaftszelts - ein breites Grinsen zog sich über
mein Gesicht, denn ich hatte mächtig einen in der Krone.
    Später in meinem Zelt habe ich mir dann die frischen Socken und
die lhermounterwäsche angezogen, die ich mir extra für diesen Augenblick aufgespart hatte.
    Die erste frische Wäsche seit drei Monaten. Himmlisch.

    Ich verpackte die Unterhose luftdicht in einen Ziplock-Plastikbeutel und schärfte noch mir ein, dass ich zu Hause beim erneuten Öffnen dieses Beutels unbedingt mit größter Vorsicht zu Werke gehen
müsste.

    Neils Füße fühlten sich aufgrund der Erfrierungen noch immer
taub an. Der lange Aufenthalt in extremer Höhe und das stundenlange Warten im tiefen Schnee am Balkon hatten ihren Tribut gefordert.
Im Basislager bandagierten wir Neils Füße, hielten sie warm und vermieden es ganz bewusst, darüber zu reden, dass er seine Zehen wohl
aller Wahrscheinlichkeit nach verlieren wird.
    Schließlich war es nicht nötig, ihm auch noch zu sagen, dass er sie
höchstwahrscheinlich niemals wieder richtig spüren könnte.
    Unabhängig davon, wussten wir, dass die Chancen für seine Zehen am besten standen, wenn sie so schnell wie möglich medizinisch
richtig versorgt würden.
    Aber mit seinen rundum dick bandagierten Füßen, die aussahen
wie zwei große weiße Luftballons, war er zweifellos nicht in der Lage,
auch nur einen Schritt zu laufen. Wir waren daher auf eine Luftrettung angewiesen. Kein leichtes Unterfangen in der dünnen Höhenluft des Everest-Basislagers.
    Das Versicherungsunternehmen teilte uns mit, dass man am
nächsten Tag bei Morgengrauen versuchen wolle, ihn von dort oben
zu bergen. Vorausgesetzt, das Wetter spielt mit. Denn da sich unser
Basislager in einer Höhe von knapp 5.400 Metern befand, lag es
schon ziemlich an der Obergrenze der maximalen Flughöhe, auf der
ein Hubschrauber noch operieren kann.
    Doch sie hatten Wort gehalten, denn in der anbrechenden Morgendämmerung hörten wir, wie vom Tal unterhalb des Basislagers aus
der Ferne das Rotorgeräusch eines Hubschraubers zu uns heraufdrang. Verglichen mit den steil aufragenden monumentalen Felswänden zu beiden Seiten des Tals, war er allerdings nur ein kleines Pünktchen am Horizont.

    In nur 60 winzigen Minuten würde dieses Ding Neil im Nu zurück
in die Zivilisation befördern, dachte ich noch. Hmm.
    Na, wenn das keine

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