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Schlamm, Schweiß und Tränen

Schlamm, Schweiß und Tränen

Titel: Schlamm, Schweiß und Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bear Grylls
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haben und zum anderen hat mir mein
Glaube die Kraft gegeben, schwierige und extrem gefährliche Situationen unbeschadet zu überstehen.
    Nur durch die enge Verbundenheit mit den Menschen an meiner
Seite habe ich diese Expedition überlebt und den Gipfel dieses Berges
erklommen. Daran besteht kein Zweifel. Ohne Mick und Neil hätte
ich es nie geschafft.

    Und auch, als ich in dieser tiefen dunklen Gletscherspalte baumelte, habe ich gelernt, dass es manchmal Situationen gibt, in denen wir
in der Tat dringend aufeinander angewiesen sind. Aber das ist okay so.
Schließlich sind wir nicht dafür gemacht, als Einzelkämpfer unser Leben zu fristen. Wir sind vielmehr dafür gemacht, uns zusammenzutun und unsere Ziele mit vereinten Kräften zu erreichen.
    Im Leben wird uns sehr oft eingetrichtert, dass wir alles ganz allein aus eigener Kraft schaffen müssten. Aber genau genommen wäre
das ziemlich langweilig.
    Für mich persönlich erschließt sich erst dann der tiefere Sinn von
allem, was ich auf diesem Berg erlebt habe - all die Höhen, die Tiefen,
die Todesfälle und die Angst -, wenn ich mir bewusst vor Augen führe, wie stark doch der Zusammenhalt in unserem Team war.
    Denn solche Erlebnisse muss man mit anderen teilen.
    Im Nachhinein betrachtet sind es gerade die kleinen gemeinsamen
Augenblicke, die ich am meisten schätze. Zum Beispiel, wie Neil und
ich den Südgipfel erreichten und wir uns gegenseitig an den Händen
festhielten, damit wir nicht umfielen.
    Allein durch die Wahrhaftigkeit unserer Freundschaft waren wir
in der Lage, uns jedes Mal von Neuem wieder aufzurappeln und weiterzugehen, wenn uns die Müdigkeit, die Kälte oder die Angst fast
übermannte.
    Man muss nicht immerzu stark sein. Das war eine wichtige Lektion, die ich gelernt habe.
    Wenn wir einander unsere persönlichen Schwächen und Ängste
offenbaren, schweißt uns das zusammen und es entstehen enge
Freundschaften und enge Freundschaften wiederum bedeuten: gemeinsam ist man stark.
    Das ist im Prinzip der Hauptgrund, warum ich auch heute noch
auf Berge klettere und mich auf Expeditionen begebe.
    Denn enge Freundschaften, die in kritischen Situationen entstanden sind, kann so leicht nichts erschüttern.
    Das ist etwas, was ich oben auf dem Mount Everest gelernt habe.

     

Es hat eine ganze Weile gedauert, bis ich mich
wieder einigermaßen von den körperlichen Strapazen der Everest-Besteigung erholt hatte.
    Im Vergleich zu der extrem dünnen und trockenen Luft auf dem
Mount Everest, wirkte die feuchte Luft auf Meeresspiegelniveau mit
ihrem hohen Sauerstoffgehalt dagegen regelrecht berauschend -
manchmal empfand ich sie sogar als zu „gehaltvoll".
    Denn ein paarmal wurde ich ohnmächtig und hatte auch ziemlich
übles Nasenbluten - so, als würde ich jetzt unter einer Sauerstoffüberversorgung leiden.
    Aber vor allem habe ich geschlafen wie ein Murmeltier.
    Es war das erste Mal seit Jahren, dass mich weder Angst noch
Zweifel noch irgendwelche düsteren Vorahnungen plagten. Das war
ein wunderbares Gefühl.
    Die Everest-Besteigung hatte mir alles abverlangt - meine ganze
Entschlossenheit, Leidenschaft, Energie und Willenskraft - ich war
völlig erschöpft. Genauso wie damals nach der SAS Selection.
    Es ist schon irgendwie eigenartig, dass man für alle guten Dinge
im Leben meistens sehr hart kämpfen muss.

    Vielleicht ist das ja der Grund dafür, warum sie etwas Besonderes
sind.
    Ich hatte kein sonderlich schlechtes Gewissen, dass ich mir nach all
den Strapazen eine kleine Auszeit gegönnt habe, um den englischen
Sommer zu genießen und mich mit meinen Freunden auszutauschen. Es
war einfach ein tolles Gefühl, wieder zu Hause und in Sicherheit zu sein.
    Außerdem habe ich mein allererstes Zeitungsinterview gegeben,
das dann unter folgender Schlagzeile erschien: „Was treibt abgerissenen 23-Jährigen dazu, für einen Blick auf Tibet sein Leben zu riskieren?" Wie nett.
    Vor meiner Abreise nach Nepal hätte ich sicher eine weitaus gewieftere Antwort auf Lager gehabt als jetzt, nach meiner Rückkehr.
Denn meine wahren Gründe, diesen Berg zu besteigen schienen irgendwie viel hintergründiger zu sein. Vielleicht auch nebensächlicher.
Ich weiß es nicht.
    Ganz sicher war ich mir jedoch darin: Es war schön, wieder zu
Hause zu sein.
    Darüber hinaus beendete derselbe Journalist dann das Interview,
indem er mich dazu beglückwünschte, dass ich den Mount Everest
„bezwungen" hätte. Doch diese Worte hörten sich in

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