Schlamm, Schweiß und Tränen
jegliche Zweifel beiseite zu schieben, die weitaus umsichtiger vorgehende Menschen durchaus ernst nehmen würden.
Entschlossenheit und Selbstvertrauen sind ihre allerstärksten Waffen.
Bestenfalls werden solche Menschen als exzentrisch bezeichnet,schlimmstenfalls als wahnsinnig[_]
Dennoch gibt es drei Dinge, die sie alle gemeinsam hatten: grofes
Selbstvertrauen, eiserne Willenskraft und unerschütterliches Durchhaltevermögen.
Wenn ich nun Bilanz ziehen müsste, welche Erkenntnisse mir die
Reise vom Krankenhausbett hinauf auf den höchsten Gipfel der Welt
für mein Leben gebracht hat, würde ich sagen, es war eine Reise, die
mich durch sämtliche Höhen und Tiefen geführt hat.
Eine Reise, auf der zunächst mein Selbstvertrauen und meine
Kraft immer mehr schwanden und an deren Ende ich wieder neues
Selbstvertrauen und neue Kraft gewonnen hatte. Eine Reise, auf der
meine Zuversicht und mein Glaube zunächst immer schwächer wurden und an deren Ende meine Zuversicht und mein Glaube stärker
geworden waren denn je.
Wenn ich zum Schluss noch meinen Kindern eine Botschaft mit
auf ihren Lebensweg geben müsste, dann wäre es diese: „Dem Tapferen hilft das Glück."
Meistens jedenfalls.
Shara holte mich in London vom Flughafen ab und hatte ihren altvertrauten blauen Wollmantel an, in dem ich sie so gerne sah.
Sie hüpfte vor lauter Aufregung auf und ab wie ein kleines Mädchen.
Das Gefühl, den Everest bestiegen zu haben, war nichts, verglichen mit der Freude sie zu sehen.
Ich war dünn geworden, meine Haare lang und ich trug ein paar
äußerst fragwürdige nepalesische Hosen mit Blumenmuster. Kurz,
ich gab ein fürchterliches Bild ab, aber ich war unglaublich glücklich.
Henry hatte mich im Basislager eindringlich davor gewarnt, bloß
nicht Hals über Kopf irgendwelche „Dummheiten" zu machen, sobald ich Shara wiedersehe. Er hatte mir erklärt, dass es ein typischer
Bergsteiger-Fehler wäre, seiner Liebsten unmittelbar nach der Heimkehr einen Heiratsantrag zu machen. Denn die Höhenluft, so sagte
er, scheint ganz offensichtlich das gesunde Urteilsvermögen der Menschen zu trüben.
Zum Schluss habe ich immerhin ein ganzes Jahr gewartet, bis ich
ihr einen Antrag gemacht habe. Am Ende dieser zwölf Monate war
ich mir dann aber absolut sicher, dass Shara genau das Mädchen war,
das ich heiraten wollte.
In dieser Zeit hatten wir sagenhaft viel Spaß zusammen. Shara arbeitete damals in einem Verlagsbüro und ich habe sie fast jeden Tag
dazu überredet, früher Schluss zu machen (allerdings war nicht wirklich sehr viel Überredungskunst nötig), und dann haben wir beide
jede Menge lustige Abenteuer unternommen.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie wir einmal auf Rollerskates durch einen Park mitten in London gefahren sind und wie
ich viel zu schnell einen Abhang hinuntergesaust und kopfüber in voller Montur im See gelandet bin. Sie fand das lustig.
Ein anderes Mal waren wir mit unseren Rollerskates auf einer viel
befahrenen abschüssigen Londoner Straße unterwegs, als sich doch
glatt eine Rolle selbstständig machte. (Verfluchte Scheißdinger!) Und
eh ich mich versah, sauste ich mit einem schrillen Quietschen und einem Affenzahn auf nur einem Bein die Straße hinunter. Das fand sie
allerdings beängstigend.
Wir tranken Tee, machten nachmittags gemütlich ein Nickerchen
und kurvten mit „Dolly" - einem alten schwarzen Londoner Taxi, das
ich für einen Apfel und ein Ei erstanden hatte - durch die Gegend.
Shara war das einzige Mädchen, das bereitwillig stundenlang mit
mir auf der Autobahn ausharrte - wenn wir mal wieder liegengeblieben
waren -, bis der Pannendienst eintraf, der Dolly dann in die nächste
Werkstatt abschleppte, wo man sie wieder flott machte. Wieder mal.
Wir waren so verliebt (und sind es noch immer!).
Ich habe auf der Rückbank ein Holzbrett befestigt und eine Matratze draufgelegt, damit ich im Taxi übernachten konnte, und Charlie
Mackesy hat die Innenwände mit lustigen Cartoons verziert. (Ironischerweise sind diese Cartoons mittlerweile das Wertvollste an der
guten alten Dolly, die mit nahezu majestätischer Anmut draußen vor
unserem Haus steht.)
Heute tollen unsere Jungs gern in dem alten Taxi herum. Shara
meint zwar, ich sollte zusehen, dass ich es loswerde, weil es ja nur noch
vor sich hin rostet. Aber ich hänge eben an diesem Auto, weil Dolly
mich immer an die wunderbare Zeit erinnert, als wir damals ganz
frisch verliebt waren. Wie
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