Schlamm, Schweiß und Tränen
permanent
hohen Adrenalinpegel so richtig ausgelaugt - und dennoch lagen wir
auf der Lauer und warteten darauf, dass die Ausbilder an jener Stelle
vorbeikamen, wo wir im „Hinterhalt" lagen, hoch oben in der sumpfigen Moorlandschaft in Yorkshire, die sich in weitem Umkreis um das
Kasernengelände erstreckte.
Meist sind sie aber überhaupt nicht aufgetaucht und dann haben
wir uns schließlich mitsamt der Ausrüstung und dem ganzen Waffenarsenal wieder in den frühen Morgenstunden ins Camp zurückgeschleppt, wo wir dann alles picobello saubermachen mussten, sodass
es quasi wie neu aussah.
Erst wenn das erledigt war, konnten wir uns aufs Ohr hauen, um
wenigstens ein paar Stunden tief und fest zu schlafen.
Mit der Zeit entwickelte ich einen regelrechten Brass auf diesen
Weckruf, der uns jeden Morgen nach einer so kurzen Nacht schon
wieder wachrüttelte, damit wir pünktlich zum üblichen „Frühsport",
dem militärischen Konditionstraining, antraten.
Ich fühlte mich wie ein Zombie - mein ganzer Körper war geschunden, müde und schwer wie Blei. Aber trotzdem wurde das Anforderungsniveau, das wir zu erfüllen hatten, täglich immer weiter
hochgeschraubt.
Denn darin bestand die eigentliche Prüfung in dieser Ausbildungsphase: Ist ein Soldat auch dann noch in der Lage, die an ihn
gestellten Anforderungen zu erfüllen, wenn er total ausgebrannt ist?
Eine dieser „Frühsport"-Veranstaltungen ist mir dabei ganz besonders im Gedächtnis geblieben. Wir haben unsere Übungen wie gewohnt absolviert - das heißt, wir mussten mit unseren Partnern auf
den Schultern lange Shuttle-Sprints machen, bis wir fast alle kurz davor waren, uns vor Erschöpfung zu übergeben. Genau in dem Augenblick, als ich fühlte, dass ich mit dem Gewicht meines Partners auf
meinen Schultern keinen Meter mehr weiterlaufen kann, hörte ich auf
einmal hinter mir einen dumpfen Schlag und wie jemand vor Schmerz
laut aufschrie.
Ich drehte mich um und sah, dass ein Rekrut ausgestreckt auf dem
Betonboden in einer Blutlache lag.
Offensichtlich war der Rekrut, der diesen armen Kerl im Gamstragegriff über seinen Schultern getragen hatte, viel zu dicht an einem
Laternenmast auf dem Übungsgelände vorbeigesprintet, sodass er im
Vorbeilaufen den Kopf seines Partners so hart gegen den Mast gehauen hatte, dass der Arme glatt ohnmächtig wurde.
Doch das Ganze hatte ein Gutes: Die Sanitäter kamen herbeigeeilt
und wir durften allesamt eine halbe Stunde früher wegtreten. Genial.
Allerdings ist so etwas ist nicht allzu oft vorgekommen. Genau genommen war das so ziemlich die einzige, wenn auch winzige Verschnaufpause, die wir in zwei Wochen bekommen haben.
Der allgemeine Schlafmangel zerrte ganz schön an meinen Nerven. Es ist einfach unmöglich vorherzusagen, wie man auf Schlafentzug reagiert - insbesondere, wenn diese Situation über mehrere Tage
anhält. Alles leidet - die Konzentration, die Motivation und die Leistungsfähigkeit. Schließlich waren das die elementaren Grundlagen,
die wir für unsere Arbeit brauchten. Aber genau darauf ist dieses
Training ausgerichtet: Es soll die Soldaten systematisch zermürben,
damit erkennbar wird, aus welchem Holz sie tatsächlich geschnitzt
sind, wenn sie unter extremer Belastung den wahren Charakter offenbaren.
Ich kann mich auch noch gut an eine ganz bestimmte Unterrichtsveranstaltung erinnern, in der ausführlich über das schrecklich
langweilige Thema der unterschiedlich starken Durchschlagskraft
verschiedener Projektile und Patronen referiert wurde. Denn als ich meinen Blick nach links schweifen ließ, sah ich, wie Trucker bei dem
Versuch sich wachzuhalten, alle paar Minuten seinen Arm mit einer
Sicherheitsnadel traktierte.
Dieser Anblick hat mich unendlich aufgemuntert.
Das eigentlich Belastende an dieser Situation war jedoch, dass einfach alles, was wir taten, genau registriert wurde. Aber das war - um
es noch einmal zu sagen - auch bis ins kleinste Detail ganz bewusst so
geplant: Die Ausbilder wollten sehen, wie wir unter größtmöglicher
Erschöpfung und Belastung funktionierten.
Sehr bald sehnte ich mich nur noch nach der letzten viertägigen
Übung, wo wir zumindest draußen im Freien in unserem kleinen
Trupp unterwegs waren, weit weg von dieser totalen Überwachung
und den bohrenden Blicken.
Der letzte Übungstag startete (wie gewöhnlich) schon sehr früh in
der Kälte der einsetzenden Morgendämmerung, allerdings ohne das
militärische Konditionstraining (was
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