Schlangen im Paradies
Wagendach zurückzu-klappen. Sie befürchtete, Gesichtshaut und Haar könnten im Fahrtwind zu sehr austrocknen. Kurz vor Carmel ließ sie ihn dann gewähren, denn sie legte Wert darauf, bei der Fahrt durch die Stadt erkannt zu werden.
Hin und wieder musterte Syd sie verstohlen. Keine Frage, sie sah wirklich gut aus. Die blauschwarzen Haarmassen, die ihr Gesicht umwogten, wirkten aufregend sexy. Sie war sechsund-dreißig; früher ein eher jungenhafter Typ, hatte sie jetzt die starke erotische Ausstrahlung der erfahrenen Frau, was ihr sehr zum Vorteil gereichte. «Denver» und «Dallas» hatten sich mittlerweile verbraucht und ihre Anziehungskraft für die Zuschauer verloren. Ein eindeutiger Trend zeichnete sich ab, mit den amourösen Eskapaden von Frauen in den Fünfzigern Schluß zu machen. Und in der Amanda hatte Cheryl endlich die Rolle gefunden, die sie zum Superstar hochkatapultieren konnte.
Wenn das klappte, würde auch Syd wieder zum Topagenten werden. Ein Schriftsteller war so gut wie sein letztes Buch. Der Marktwert eines Schauspielers richtete sich nach seinem letzten Film. Ein Agent brauchte Millionenabschlüsse, um zur ersten Garnitur zu zählen. Das Ziel, wieder zur Legende, zum zweiten Swifty Lazar zu werden, lag greifbar nahe. Und diesmal würde er das Geld nicht in Spielkasinos verpulvern oder auf der Renn-bahn lassen, das schwor er sich.
In ein paar Tagen würde er erfahren, ob Cheryl die Rolle bekam. Umittelbar vor der Abfahrt hatte er auf ihr Drängen Bob Koenig zu Hause angerufen. Vor fünfundzwanzig Jahren hatten sie sich in Hollywood kennengelernt und angefreundet – Bob, frisch vom College, und Syd, Laufbursche im Studio. Heute war Bob Präsident von World Films. Scharfgeschnittenes Gesicht, breite Schultern, verkörperte er auch äußerlich haargenau den Studioboss des neuen Typs. Syd dagegen wußte, daß er dem Rollenklischee «Brooklyn» entsprach – mit seinem langen, etwas traurigen Gesicht, dem sich lichtenden Kraushaar und dem Ansatz zum Bauch, gegen den auch hartes Training nicht an-kam. Ein weiterer Grund, Bob Koenig zu beneiden.
Heute hatte Bob sich seine Gereiztheit anmerken lassen. «Ruf mich nicht sonntags zu Hause an, um wieder übers Geschäft zu reden! Cheryls Probeaufnahmen waren verdammt gut. Wir be-gutachten auch noch andere Mädchen. Du hörst von uns in den nächsten paar Tagen, so oder so. Und ich will dir noch was verraten. Sie im vorigen Jahr, als Leila LaSalle starb, in dem Stück auftreten zu lassen, war ein schwerer Mißgriff und macht uns die Entscheidung für sie so problematisch. Mich sonntags zu Hause anzurufen, ist auch ein schwerer Mißgriff.»
Bei der Erinnerung an das Gespräch bekam Syd feuchte Hän-de. Ohne Blick für die Landschaft grübelte er darüber nach, daß er einen Fehler begangen und eine Freundschaft mißbraucht hatte. Wenn er in Zukunft nicht besser aufpaßte, würde er keinen seiner Bekannten mehr telefonisch erreichen, sondern mit der Ausrede abgespeist werden, der Betreffende sei gerade «in einer Konferenz».
Und Bob hatte recht. Es war ein unverzeihlicher Fehler von ihm gewesen, daß er Cheryl überredet hatte, nach nur ein paar Proben kurzfristig in dem Stück einzuspringen. Die Kritiker hatten sie in der Luft zerrissen.
Cheryl hatte neben ihm gestanden, als er Bob anrief, und mitgehört, daß sie eben wegen jenes Stückes die Rolle vielleicht nicht bekommen würde. Und das löste natürlich eine Explosion aus. Nicht die erste und auch nicht die letzte.
Dieses verfluchte Stück! Er war so überzeugt davon gewesen, daß er nicht nachließ, bis er eine Million Dollar, teils geschnorrt, teils gepumpt, zusammenhatte, um sie in die Aufführung zu investieren! Es hätte ein Bombenerfolg werden können. Und dann hatte Leila angefangen zu trinken und es so zu drehen versucht, als sei das Stück daran schuld …
Syd geriet in Rage, seine Kehle war wie ausgedörrt. Was hatte er nicht alles für dieses Miststück getan, und dann feuerte sie ihn im vollbesetzten Elaine, schrie ihm ihre Beleidigungen vor der versammelten Branche ins Gesicht! Und dabei wußte sie, wieviel Geld er in dieses Stück gesteckt hatte!
Sie durchquerten Carmel; Touristenmassen auf den Straßen; strahlender Sonnenschein; alles so gelöst und heiter. Er nahm den längeren Weg und schlängelte sich durch die verkehrsreich-sten Straßen. Dabei konnte er die Bemerkungen der Leute auf-schnappen, als sie Cheryl erkannten. Jetzt lächelte sie natürlich, versprühte Charme
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