Schlangenfluch 2: Ravens Gift (German Edition)
Hand aufs Herz, um ihren Schrecken noch zu unterstreichen. „Was sitzt du im Dunkeln und träumst? Ich dachte, der Leibhaftige will mich holen.“
Das Gefühl kannte er seit einiger Zeit nur zu gut.
„Komm zum Essen und bring Samuel und Laurens mit. Sie sind oben.“
„Warum holst du die beiden Turteltauben nicht selbst?“ Samuel würde ihn hochkant aus seinem Zimmer werfen. Das Ziehen im Herz, das sich bei diesem Gedanken einstellte, begleitete ihn schon den ganzen Tag.
Erins faltiger Mund spannte sich, um dann zu einer Kräusellinie zu werden. „ Weil sie turteln .“
„Du könntest vorher klopfen.“ Das erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass die beiden ihre Körper auseinanderknoten konnten, bevor Erin ihre Nase zur Tür hineinsteckte.
Ihr Denk-nach-bevor-du-redest- Blickstrafte ihn ab. Erin klopfte nicht an, sie stürmte ungebeten fremde Zimmer. Einmal hätte er sie dafür beinahe angefallen. Das war lange her. Hoffentlich hatte sie diesen Zwischenfall vergessen.
„Essen. In zwei Minuten. In der Küche.“ Ihre letzten Worte zu diesem Thema unterstrich sie mit einem lauten Lufteinsaugen. Sie kehrte ihm den Rücken zu und rauschte davon. Die lächerliche Möglichkeit, Samuel einen Zettel unter der Tür durchzuschieben, drängte sich auf.
Raven nahm drei Stufen auf einmal. Aus Samuels Zimmer kam kein Laut und auf sein Anklopfen hin tat sich nichts. Waren die beiden ineinander eingeschlafen? Leise öffnete er die Tür. Vom Bett leuchtete ihm Laurens’ Hintern entgegen. Der Junge lag auf Samuel, schlief tief und fest und sabberte auf die Brust unter ihm. Wie entspannt und glücklich seine Miene war. Kein Wunder. Er lag mit dem Ohr direkt über Samuels Herz. Sicher flüsterte es ihm lauter pathetische Dinge zu.
„Wach auf, Abendessen.“ Er gab Laurens einen dezenten Klapps auf den Po. Mit ein wenig Glück schaffte er es, nur Laurens zu wecken und sich dann schnell zu verziehen, bevor Samuel die Augen aufschlug.
Laurens rekelte sich, rutschte von Samuel hinunter und rieb sich verschlafen die Augen. „Mann, ich habe den ganzen Nachmittag verpennt.“ Er kroch aus dem Bett, tigerte zum Schrank und drehte Raven den Rücken zu, als er eine von Samuels Shorts anzog. Niedlich.
„Hübscher Po. Hast du Samuel endlich daran teilhaben lassen?“
Wie von der Tarantel gestochen fuhr Laurens herum. „Das geht dich ja wohl nichts an!“
Also nicht. Dabei sah Samuel so, wie er auf dem Bett lag, an der richtigen Stelle vielversprechend ausgepackt aus. Er schlief immer noch. Raven berührte vorsichtig seine Wange. Wer wusste schon, wann er die nächste Gelegenheit dazu hatte. Vielleicht nie mehr. Der Wutblick, den er heute Morgen kassiert hatte, tat immer noch weh, und die Angst, Samuel könnte an seiner Drohung festhalten, noch mehr. Der Biss war unmittelbare, absolute Nähe. Ebenso das Wachen über seinen Rausch. Was, wenn er beides verspielt hätte? Raven schob den Gedanken beiseite. Sobald David tot war, würde er mit Samuel über alles reden. Samuel würde ihn verstehen und ihm hoffentlich verzeihen.
Laurens griff wahllos nach einer Jeans und zupfte an dem zu weiten Hosenbund. Raven reichte ihm einen Gürtel.
„Danke“, maulte Laurens und zog den Gürtel fest. „Können wir?“
„Willst du Samuel nicht wecken?“
Die tiefe Stirnfalte verschwand, als Laurens zu Samuel schaute, und machte einem liebevollen Lächeln Platz. Es deckte Samuel wie eine weiche, schwerelose Decke zu. Es musste wunderbar sein, auf diese Weise angesehen zu werden. Sein Bruder würde es bis in seine Träume spüren.
„Lieber nicht.“ Mr. Sunshine wühlte sich durch Samuels getragene Shirts, die den Weg zu Erins Waschküche nicht allein gefunden hatten. „Vorhin haben wir während eines gemeinsamen Kraftaktes euren Stiefvater getötet. Das hat Samuel ziemlich ermattet.“
„Was?“ Wie konnte Laurens lachen? Ein Gefühl wie Eiswürfel im Hemd rutschte ihm über den Rücken. Laurens hielt sich den Finger an den Mund. „Nicht so laut. Im übertragenen Sinn natürlich.“ Der Schlag auf die Schulter kam unerwartet kräftig. „Guck nicht so erschrocken. Du hast den Job doch längst gemacht. Vergessen?“
Habe ich nicht. Ein Biss ist eine Sache. Ein Lebewesen zu erschießen, das sich nicht wehren kann, ist eine andere.
Laurens strich mit dem Daumen über sein Kinn, das die ersten Stoppeln zeigte. „Was hast du dabei gefühlt?“
„Hass.“ Das hatte er bei dem Biss gefühlt. Was er beim Abdrücken fühlen würde,
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