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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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verriegelt und mit einem Vorhängeschloss gesichert. Ohne wirklich zu erwarten, dass etwas passierte, packte ich den Eisenring, der dazu diente, die Klappe anzuheben, und zog.
    Beinahe wäre ich mitsamt der Kellerklappe hintenübergekippt. Das ganze Ding hatte sich glatt gelöst, und mein Keller klaffte offen in der Nacht. Rasch sah ich mir die Bescherung an. Riegel und Vorhängeschloss saßen fest an ihrem Platz – der Holzrahmen jedoch, in dem die Kohleklappe saß, war im Laufe der Jahre gefault und hatte sich von seiner Betonbasis gelöst. Von unten im Keller, mit dem Blumenkübel obendrauf, der alles an Ort und Stelle hielt, hatte das Ganze völlig intakt ausgesehen. Von hier oben jedoch war es ebenso eindeutig wie die Narbe auf meinem Gesicht, dass es ein Kinderspiel gewesen war, sich Zugang zu meinem Keller zu verschaffen – und zu meinem Haus.
    Wenigstens weiß ich jetzt Bescheid, murmelte ich vor mich hin, ehe mir aufging, was der verschobene Blumenkübel bedeutete. Jemand war wieder bei mir eingestiegen. Plötzlich war mir eiskalt. Schnell setzte ich die Kohlenklappe wieder ein, schob den Blumenkübel darauf und ging ins Haus – durch die Haustür.
    Ich verriegelte die Kellertür, schob den Küchentisch davor und schaute mich nach schweren Gegenständen um, die ich auf den Tisch packen könnte. Schließlich schleppte ich die Mikrowelle und eine gusseiserne Pfanne herbei und kam mir
blöd vor. Also durchsuchte ich das Haus für den Fall, dass mir irgendwo jemand auflauerte, und überprüfte sämtliche Türen und Fenster doppelt und dreifach. Zu duschen wagte ich nicht: Nicht hören zu können, wie sich jemand an mich heranschlich, war undenkbar. Ich ließ mir ein Bad ein, und nachdem ich den Geruch des Flusses abgewaschen hatte, nahm ich mein Handy mit ins Schlafzimmer und außerdem ein scharfes Messer aus der Küchenschublade. Beides kam unter mein Kopfkissen. Selbst dann konnte ich nicht schlafen. Ich durchsuchte von Neuem das Haus.
    Als ich durch die dunklen Zimmer im Erdgeschoss ging, war mir, als hörte ich, wie sich draußen etwas bewegte, wie jemand sich durch die Büsche zwängte, die auf der Rückseite des Hauses dicht an der Mauer wachsen, doch niemand klopfte an die Tür oder rief meinen Namen.
    Nachdem ich wieder nach oben gegangen war, döste ich ein, nur um jäh zu erwachen, als ein Ast am Fenster scharrte. Ich lag da, sah zu, wie die mondbeschienenen Blätter Schatten an die Wand malten, und wusste, dass der Schlaf sich in dieser Nacht wahrscheinlich nicht wieder einstellen würde. Denn wenn die Sonne aufging, würde der Tag anbrechen, an dem ich Abschied von meiner Mutter nehmen musste.

    Es war Mum gewesen, die mich Singen gelehrt hatte. Als ich noch sehr klein gewesen war, war ihr klar geworden, dass sie niemals eine Musikerin aus mir machen würde, doch sie schwelgte in der Verheißung meiner Stimme. Stundenlang sangen wir, immer nur wir beide in unserem Musikzimmer. Dad hatte gerade genug Stimme, um als Vorsänger seiner Gemeinde zu fungieren, Vanessa war vollkommen unmusikalisch und war seit ihrem sechsten Lebensjahr vom Musikunterricht ausgeschlossen, weil sie zu sehr auf die Schlaginstrumente eindrosch. Wenn Mum und ich zusammen sangen, fühlte es sich manchmal an, als wären wir die beiden einzigen Menschen auf der ganzen Welt, und das war mir nur recht.

    Als unser Unterricht fortschritt, als meine Stimme an Klang und Stärke gewann, hatte Mum den großen Herzenswunsch, dass ich in der Öffentlichkeit sang; nur im kleinen Rahmen, in der Schule oder vielleicht in der Kirche. Sie wollte, dass ich vor den Menschen stand und ihnen einen Grund gab, mich anzusehen, einen Grund, der ihr zur Ehre gereicht hätte und nicht zur Schande. Ich glaube, sie hätte das als Beweis für meine Heilung betrachtet, für die Tilgung ihrer Schuld. Ich hatte es niemals getan.
    Und in dieser Nacht, als ich zusah, wie die Schatten wie die Geister verpasster Gelegenheiten durch den Raum huschten, begriff ich, warum. Hätte ich ihr gegeben, was sie sich mehr als alles andere wünschte, so hätte ich die Macht verloren, die ich über sie hatte.
    Oh, ich hatte im Laufe der Jahre die Überlegenheit erbarmungslos ausgenutzt, von der ich genau wusste, dass ich sie meiner Mutter gegenüber besaß. Allein durch Instinkt hatte ich, als ich kaum mehr als ein Kleinkind gewesen war, herausgefunden, dass Mum alles tun würde, um mich vor weiterem Schaden zu bewahren. Und es machte mir auf perverse Weise Spaß, sie zu

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