Schlangenhaus - Thriller
habe es nicht geschafft. Ich habe keine Ahnung, um wie viel Uhr ich angefangen habe oder wann ich aufgehört habe.«
Tasker und Knowles wechselten einen Blick. Ich streckte die Hand aus, griff nach dem Wasserkrug und stellte fest, dass ich kaum genug Kraft hatte, um ihn hochzuheben. Ich leerte ihn in mein Glas und trank es auf einmal aus. Als die Befragung begonnen hatte, war der Krug voll gewesen, doch ich war die Einzige, die etwas trank, die Einzige, der die bedrückenden Bedingungen hier drinnen etwas auszumachen schienen. Der Raum, in dem wir uns befanden, hatte weder Fenster noch Klimaanlage, und mir wurde immer heißer. Das Licht war zu grell, das Mobiliar bestand aus zu viel Plastik und das Zimmer stank nach kaltem Schweiß und abgestandenem Rauch. Rauchverbotsschilder hingen an jeder Wand, doch die beiden Detectives hatten den Geruch in ihren Kleidern mit hereingebracht wie einen ungeladenen Gast.
»Sie scheinen sich mit einer ganzen Menge alter Leute in
Ihrem Dorf angefreundet zu haben, Miss Benning, könnte man das so sagen?«, fragte Tasker.
»Ich weiß nicht recht, ob ich mich überhaupt mit irgendjemandem im Dorf angefreundet habe, jung oder alt«, entgegnete ich wahrheitsgemäß.
»Was ist mit Mrs. Buckler?«
»Ich habe sie gerade erst kennengelernt.«
»Das behaupten Sie. Und trotzdem haben Sie so viel Geld für ihren Hund ausgegeben.«
Einen Augenblick lang musste ich mich fragen, woher er das mit Bennie wusste. Hatte Sally es ihm erzählt? Oder Matt? Beide Möglichkeiten waren nicht besonders erfreulich. »Sie war alt und gebrechlich«, sagte ich. »Ich konnte nicht viel für sie tun, aber ich konnte wenigstens ihrem Hund helfen.«
»Alt und schutzlos, würde ich sagen«, bemerkte Tasker gerade. »Was glauben Sie, wie viel ihr Haus wert ist, Miss Benning?«
»Entschuldigung, wie bitte?« Die Frage traf mich völlig unerwartet.
»Ist ja im Moment in ziemlich schlechtem Zustand, aber ordentlich renoviert könnte es so an die zweihunderttausend Pfund bringen. Vielleicht auch mehr. Was meinen Sie?«
»Ich habe wirklich keine Ahnung.«
»Ach, kommen Sie. Nach dem, was ich so höre, kriegen Sie und die anderen Leute aus dem Dorf regelmäßig Briefe mit Angeboten von irgendeiner Grundstücksgesellschaft.«
»Da steht nie etwas von Grundstückswerten drin.«
»Trotzdem, muss doch einiges wert sein, oder? Unwahrscheinlich, dass sie eine Hypothek hatte, eine Frau in dem Alter.«
Mir lag die Frage auf der Zunge, was das alles mit mir zu tun hätte, doch ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, dass Tasker mir mit Freuden sehr genau darlegen würde, was es mit mir zu tun hatte.
»Mrs. Buckler hatte keine Angehörigen«, sagte Knowles. »Wussten Sie das?«
»Ich habe es vermutet. Ich glaube, deshalb war ihr Hund so wichtig für sie.«
»Mr. und Mrs. Witcher hatten auch keine nahen Verwandten, nicht wahr?«
Ich merkte, dass ich sehr still dasaß, mich innerlich fast gegen einen Schlag wappnete. »Ich glaube nicht.«
»Mit denen waren Sie auch ganz gut befreundet, oder?«
»Ich habe gelegentlich mit Walter gesprochen, wenn ich an seinem Haus vorbeigelaufen bin. Edeline habe ich kaum gekannt. Wir waren nicht befreundet.«
»Und doch gibt es Leute, die gesehen haben, wie Sie sich regelmäßig mit beiden unterhalten haben. Eine Mrs. Stringer sagt, sie hätte Sie und Mrs. Witcher morgens oft am Gartentor plaudern sehen.«
Wie unfair das alles war. Die Gespräche, die ich gefürchtet und nur mit Mühe ertragen hatte, rächten sich jetzt. »Nachdem Walter gestorben war, hat sie immer auf mich gewartet«, erklärte ich. »Mir ist nichts anderes übrig geblieben.«
»Gibt ja immer ein bisschen ein Durcheinander, wenn jemand stirbt, ohne ein Testament zu hinterlassen. Ist immer eine gute Idee, sein Testament zu machen. Hat Mrs. Buckler ein Testament gemacht?«
»Woher in aller Welt soll ich das wissen? Ich kenne sie doch noch gar nicht so lange.«
Tasker lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. »Ich sage Ihnen mal, was mein Problem ist, Clara«, meinte er. »In meinem Beruf wird man zum Zyniker. Wir hören von jungen Leuten, die Freundschaft mit schutzlosen alten Menschen schließen, und wir fragen uns, wieso.«
Ich schloss die Augen und schüttelte angesichts dieser Ironie den Kopf. Ausgerechnet mich bezichtigte man falscher Freundlichkeit.
»Was ist mit John Allington?«, fuhr Tasker fort. »Der Mann,
der letzten Freitag an einem Kreuzotterbiss gestorben ist. Wie gut haben Sie ihn
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