Schlangenhaus - Thriller
gekannt?«
»Ich bin ihm nie begegnet.«
»Sind Sie sicher?«
»Natürlich bin ich mir sicher.« Ich war John Allington nie begegnet. Zumindest nicht, bevor er in der Leichenhalle gelegen hatte. Galt das auch als »kennen«?
»Ah, aber Mr. Allington hatte ja auch Angehörige, nicht wahr? Er stand nicht ganz allein da, so wie die Witchers oder Mrs. Buckler.«
Ich knallte die flachen Hände auf die Tischplatte. Gerade laut genug, dass beide stutzten. »Worauf in aller Welt wollen Sie hinaus?«, verlangte ich zu wissen; ich konnte ihre plumpen Anspielungen nicht länger ertragen. »Walter war ein reizender Mensch, aber er war sehr zurückhaltend. Ich kannte ihn kaum. Edeline konnte ich nicht leiden, und ich bin ihr nach Möglichkeit aus dem Weg gegangen. Violet schien sehr nett zu sein, aber ich habe sie erst vor ein paar Tagen kennengelernt. Was in Gottes Namen soll das alles?«
Es war, als sähe man einen elektrischen Funken zwischen den beiden Männern überspringen. Der eine setzte sich auf, der andere beugte sich vor, ihre Blicke begegneten sich, Erregung glänzte in ihren Augen, als ihnen klar wurde, dass sie es geschafft hatten: Nach fast zwei Stunden des Verhörs hatten sie mich in Rage gebracht, sie machten Fortschritte.
»Reden wir mal über gestern Abend, in Ordnung?«, meinte Knowles. »Geheimgänge und alte Kalkminen. Wir werden überprüfen, ob es die wirklich gibt, das wissen Sie ja.«
»Sie werden sie finden«, erwiderte ich und verspürte einen Augenblick lang Erleichterung, dass das Gespräch sich anderen Dingen zuwandte. »Hier in der Gegend ist seit der Jungsteinzeit Kalk abgebaut worden. Die meisten frühen Minen haben sehr dicht unter der Erdoberfläche gelegen. Und sie sind nur sehr selten dokumentiert worden; heutzutage weiß niemand, wo sich auch nur die Hälfte davon befindet.«
»Ich glaube, da haben Sie recht«, pflichtete Tasker mir bei und reckte die Arme über dem Kopf, als hielten wir drei lediglich einen Plausch in einem Café. »Es gab da mal einen Fall in den Sechzigern. In Kent. Der Schacht einer alten Mine ist zusammengebrochen, direkt unter der Hauptstraße, aus heiterem Himmel. Eine Mutter und ihr Kind sind in das Loch reingefallen. Man hat die Leichen nie gefunden.«
Knowles hatte mürrisch zugehört. Jetzt beugte er sich abermals vor. »Ja, ja, faszinierend. Also, Sie hatten ja einen aufregenden Abend, Miss Benning.«
Ich antwortete nicht.
»Für die Tonbandaufzeichnung –«
Ach, Herrgott noch mal! »Worin genau bestand die Frage in Ihrem letzten Satz, Constable Knowles? Ich habe sie wohl nicht mitbekommen.«
Knowles feixte schon wieder – als stelle es einen bedeutenden Fortschritt dar, eine Verdächtige auf die Palme zu bringen.
»Die Sache ist die, Miss Benning«, sagte er. »Wir haben uns mit den drei Brüdern Keech über gestern Abend unterhalten. Und mit Jason Short, Kenny Brown und Kimberley Aplin. Sehr kooperative Zeugen. Und was sie sagen, lässt mich erheblich an Ihrer Geschichte zweifeln.«
Das mit dem »Ihrer Geschichte« gefiel mir nicht, doch ich ging nicht darauf ein.
»Erzählen Sie mir bloß nicht, dass die alle um neun im Bett waren.«
»O nein. Sie geben ohne Weiteres zu, dass sie an dem Abend draußen waren. Anscheinend haben sie die Erlaubnis, auf Clive Ventrys Grundstück Kaninchen zu schießen.«
»Sie haben Ringelnattern gefangen«, beharrte ich.
»Also, das bestreiten sie mit allem Nachdruck.«
»Na ja, natürlich, es ist ja auch verboten«, fauchte ich und fragte mich, ob ich mir wirklich so sicher war, wie es sich anhörte. Letzten Endes hatten die beiden Männer, die ich auf
der Wiese beobachtet hatte, nicht gerade wie Teenager ausgesehen.
»Das Problem ist nur, ohne Beweise steht Ihre Aussage gegen die der Kids. Und die sind zu sechst.«
»Sie haben mich angegriffen, mich bedroht und mich verfolgt. Ich weiß, dass sie zu sechst waren. Deshalb hatte ich ja so Angst.«
»Ja, ja. Aber, sehen Sie, die Jungs schildern das alles ganz anders.«
»Oh, das muss ich unbedingt hören.«
Knowles las wieder von seinen Notizen ab. »Alle sechs Zeugen geben an, dass Sie plötzlich aus der Hecke aufgetaucht sind, als sie gerade zum Dorf zurückgegangen sind. Sie fühlten sich ertappt und haben gewalttätig reagiert. Sie haben Nathan Keech in die Genitalien getreten, was ihm erhebliche Schmerzen verursacht hat, seinem älteren Bruder den Ellenbogen in den Bauch gestoßen und ihm dann heftig gegen das Schienbein getreten. Dann sind Sie
Weitere Kostenlose Bücher