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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Frauen das Allerwichtigste. Wenn also ein Mädchen nicht einfach nur nicht besonders hübsch ist, sondern – ich muss es jetzt mal beim Namen nennen – schwer entstellt, na ja, ich kann mir vorstellen, dass sich das ziemlich vernichtend auf eine junge Frau auswirken könnte.«
    »Könnte einen echt irre machen«, bemerkte Knowles. Ich merkte, wie meine Hand an der linken Seite meines Halses hochfuhr. Es war eine unbewusste Geste, eine Bewegung, die ich seit Jahren machte. Ich würde das Haar auf dieser Seite fassen und es nach vorn ziehen. Ich zwang mich, die Hand wieder nach unten zu nehmen. Bleib ganz ruhig, lange kann es ja nicht dauern.
    »Ich frage mich, warum Sie es nicht mit plastischer Chirurgie versucht haben«, meinte Tasker. »Die können heutzutage wahre Wunder vollbringen.«
    »Für die Tonbandaufzeichnung, die Verdächtige antwortet nicht«, sagte Knowles.

    »Haben Sie eine kosmetische Operation machen lassen?«, fragte Tasker.
    »Ich bin mehrmals operiert worden«, erwiderte ich; mir war klar, dass ich einer direkten Frage nicht ausweichen konnte. »Das erste Mal, als ich noch kein Jahr alt war, das letzte Mal mit sechzehn. Die Ärzte glauben nicht, dass weitere Eingriffe etwas nützen würden.« Ich starrte auf meine Hände hinunter. Alles Blut schien aus ihnen gewichen zu sein. Sie hätten aus Wachs geformt sein können.
    »Also…« Taskers Stimme kam von irgendwo über meinem Kopf. »Besser wird’s nicht mehr?«
    Meine Hände spannten sich, verwandelten sich in Klauen. Ich musste mich zusammenreißen. »Solange es keinen bedeutenden Durchbruch gibt, sind die Ärzte nicht der Ansicht, dass der mögliche Nutzen weiterer Eingriffe die Risiken überwiegen würde.« Ich zitierte mehr oder weniger Wort für Wort das, was mir der letzte Arzt gesagt hatte. Das war wohl eine hochgestochene Art, zu sagen, ja, besser wird’s nicht mehr.
    »Waren Sie in Behandlung? Bei einem Therapeuten? Beim Psychiater? Jemand, der Ihnen geholfen hat, damit klarzukommen?« Taskers Stimme war leiser geworden, er beugte sich zu mir vor, versuchte, eine mitfühlende Miene aufzusetzen. Doch als ich aufblickte, verrieten ihn seine Augen. Das Ganze bereitete ihm viel zu viel Vergnügen.
    »Meine Mutter ist früher mit mir zur Therapie gegangen«, erwiderte ich. »Die genauen Einzelheiten habe ich vergessen.« Ich erinnerte mich nur allzu gut an die Einzelheiten. Zwei Psychiater, fünf Psychologen und ein Verhaltenstherapeut. Erst als ich von zu Hause ausgezogen war, war ich dem unablässigen Beschuss mit schuldbewusster, professioneller Hilfe entkommen. Hatte es geholfen? Ich war mir wirklich nicht sicher. Ich hatte keine Ahnung, in welchem Zustand mein Kopf ohne diese Therapieübersättigung wäre.
    »Ich weiß noch, dass ich irgendwo mal gelesen habe, dass sehr hässliche Menschen – entschuldigen Sie, Miss Benning,
ich versuche hier nicht absichtlich, unhöflich zu sein –, dass die nach einer Weile das Gefühl haben, unsichtbar zu sein«, sagte Tasker. »Wenn die Leute erst mal übers Anstarren am Anfang weg sind, schauen sie überhaupt nicht mehr hin.«
    Tasker hielt einen Augenblick inne, um Knowles anzusehen. Als hätte er ein Stichwort bekommen, machte dieser weiter.
    »Die Leute sagen, Sie gehen nicht viel unter Menschen, Miss Benning«, bemerkte er. »Dass Sie anscheinend keine gleichaltrigen Freundinnen haben. Sie gehen nicht aus, kriegen keinen Besuch. Offensichtlich haben Sie auch keinen Freund.«
    Und so ging es weiter. Wenn einer innehielt, um Luft zu holen, fiel der andere ein. Bei jeder neuen Beleidigung, die sie mir an den Kopf warfen, entschuldigten sie sich – tut mir leid, dass ich so direkt bin, Miss Benning, aber Sie müssen verstehen, wir machen nur unseren Job. Man musste schon ziemlich belämmert sein, um ihnen abzunehmen, dass sie sich bemühten, einfühlsam und verständnisvoll zu sein. Denn eigentlich ging es nur darum, mich ebenso gründlich wie gemein fertigzumachen. Doch jahrelange Erfahrung darin, derartige Schläge abzuwehren, kam mir zu Hilfe, und ich glaube nicht, dass man mir irgendetwas ansah. Wäre das der Fall gewesen, dann hätten sie ihre Attacke vielleicht früher eingestellt, denke ich, wären früher auf das gekommen, worauf sie die ganze Zeit hinausgewollt hatten.
    »Also, wenn man mich mein ganzes Leben lang so behandelt hätte, dann wäre ich vielleicht versucht, dafür zu sorgen, dass die Welt mich ein bisschen entschädigt.«
    »Einfach nur ein bisschen

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