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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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ganz. Dann streckte er die Hand aus und drückte auf einen Schalter an der Wand. Sofort wechselte die Beleuchtung von weichem Weiß zu den tiefen Purpurschatten von Infrarotlicht. Ich ging in die Mitte des Raumes und blieb stehen, ließ es auf mich wirken.
    »Wow«, sagte ich schließlich und drehte mich langsam auf der Stelle. »Das ist ja unglaublich.«
    Der Raum war groß; er erstreckte sich über die ganze Breite des Hauses und nahm den größten Teil seiner Länge ein. Ich begriff, dass die anderen Zimmer – Küche, Schlafzimmer, Bad – absichtlich so klein wie möglich und rein funktional gestaltet worden waren. Dieser Raum war das, worauf es bei dem Haus eigentlich ankam.
    Genau wie im Schlafzimmer war eine Wand aus Glas und ging aufs Meer hinaus. An den anderen drei Wänden befanden sich vom Boden bis zur Decke reichende verglaste Vivarien. Die Böden der Gehege waren mit Sand, bunten Steinen und von der Sonne ausgebleichtem Treibholz bedeckt. Kunstvoll drapierte Pflanzenwedel und die breiten, samtigen Blätter tropischer Pflanzen reckten sich überall. Verborgene Lichtquellen verliehen den zahlreichen Grüntönen des Blätterwerks smaragdfarbene, goldene und gelbe Schattierungen, und an den Rückwänden waren Reproduktionen uralter Höhlenmalereien zu sehen. Die Gehege mit ihrer Tropenbepflanzung, ihren Felsformationen und Treibhausskulpturen wären auch ohne die langen, eleganten Geschöpfe faszinierend gewesen, die reglos verharrten, von Ästen herabhingen, sich um Steine ringelten und uns beobachteten.

    Ich ging auf das größte Vivarium zu. Die Schlange darin, die fast drei Meter lang sein musste, richtete sich vom Boden auf, so dass ihr Kopf beinahe auf gleicher Höhe mit meinem war. Wir sahen uns in die Augen. Die Schuppen der Schlange waren golden und am Hinterkopf ungewöhnlich groß; eine umgekehrte Winkelzeichnung zog sich ihren Rücken hinunter. Ohne den Blick von mir abzuwenden, schwankte das Tier ein paar Zentimeter nach rechts, dann wieder nach links. Unwillkürlich musste ich gegen den Drang ankämpfen, mitzuschwanken. Ich merkte, dass meine Augen brannten und ich mehrere Sekunden lang nicht geblinzelt hatte.
    »Ist das eine Kobra?«, fragte ich mit gedämpfter Stimme.
    »Das ist Taka. Eine Königskobra, vier Jahre alt«, bestätigte Sean. »Der Zoll hat ihn geschnappt, als er noch ganz klein war. Er war bei der Reise schwer verletzt worden, und keiner der Zoos, die ihn hätten nehmen können, hat sich in der Lage gesehen, ihn zu pflegen. Ich glaube, er mag Sie.«
    »Woran merken Sie das?«
    »Er spreizt seine Haube nicht.«
    Ich ging weiter, drehte eine Runde durchs Zimmer, vorbei an einer schlanken, grünen Schlange, bei der es sich, wie Sean erklärte, um eine Weißlippenbambusotter aus den tropischen Wäldern und Bambushainen Asiens handelte. In einem Gehege, das viel Wasser enthielt, sah ich eine afrikanische Nashornviper, anderthalb Meter lang, mit farbenfrohen blauen, gelben und scharlachroten Schuppen und zwei hornartigen Vorsprüngen an der Nasenspitze. Im Infrarotlicht waren die Schlangen aktiver, als ich es jemals in Reptilhäusern erlebt hatte, beim Gehen war ich mir langsamer, geschmeidiger Bewegungen überall um mich herum bewusst.
    Als ich alle sieben Schlangen, die Seans Wohnzimmer mit ihm teilten, gesehen und bewundert hatte, drehte ich mich zu ihm um. Zum ersten Mal seit meiner Ankunft hatte er aufgehört, mich anzusehen; anscheinend war er ebenso gebannt wie ich, obwohl er die Schlangen jeden Tag sah.

    »Wieso mögen Sie Schlangen so sehr?«, fragte ich ihn. Auf die Frage hin wandte er sich wieder zu mir um.
    »Es sind die unwiderstehlichsten, schönsten Geschöpfe der Welt«, antwortete er, als sei das sonnenklar.
    »Ja, sie sind hübsch, aber –«
    »Hübsch?« Er legte mir den Arm um die Schultern und schob mich sanft zu der Nashornviper hinüber. »Sie sind wie Diamanten«, sagte er. »Je näher man herankommt, desto atemberaubender werden sie.« Wir standen da und sahen zu, wie die Schlange gemächlich um ein Holzscheit herumglitt.
    »Schön, aber kalt«, meinte ich und ging zum nächsten Gehege, so dass sein Arm zwangsweise herabsank. »Sie haben keine Mimik, sie sind Einzelgänger, zeigen keinerlei Reaktion auf ihre Besitzer, und wenn man sie anfasst, stresst sie das.« Ich spielte hier die Rolle der advocata diaboli – insgeheim war ich ganz und gar seiner Meinung, dass die Schlangen einfach sagenhaft waren, ich hörte Sean nur zu gern über sie reden. »Ich

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