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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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und Ziegen. Wenn die behandelt werden können, sparen die Inselbewohner ein Vermögen. Sie würden natürlich ein paar Probeaufnahmen machen müssen…«
    Langsam senkte ich den Blick auf die Unterlagen in meiner Hand; ich hörte nicht mehr zu. Etwas sehr Kaltes hatte sich in meiner Magengrube gebildet. »Sie wollen, dass ich im Fernsehen auftrete?«, unterbrach ich ihn.
    »Also, nur dass das ganz klar ist, ich wäre immer noch der Star, aber, ja, ein bisschen Arbeit vor der Kamera würde dabei anfallen.«
    »Werden Ihre Einschaltquoten schlechter?«, erkundigte ich mich leise, ohne aufzublicken.
    »Bitte?«
    »Giftschlangen schocken die Leute nicht mehr, richtig?«
    »Clara…«
    Ich drehte mich zu ihm um, sah, wie seine Augen vor Schreck groß wurden, und war froh darüber.
    »Ich habe eine bessere Idee«, fauchte ich ihn an. »Warum stellen Sie nicht ein Verbrennungsopfer ein? Jemanden, den es ordentlich gebraten hat. Die können im Fernsehen so richtig eklig aussehen.« Inzwischen stand ich auf den Beinen. Ich konnte mich nicht daran erinnern, aufgestanden zu sein, doch der Beistelltisch lag umgekippt zwischen uns. Sean hatte einen Schritt rückwärts gemacht und sah aus, als sei sein Lieblingshund ihm plötzlich an die Kehle gegangen.
    »Oder – ich hab’s – jemanden ohne Arm und Bein«, fuhr ich fort und hörte, wie meine Stimme lauter wurde. »Der kann dann auf dem Boden rumrutschen – genau wie eine Schlange. Oder wie wär’s mit –« Überall um mich herum rührten sich die Schlangen, reagierten auf den plötzlichen, ungewohnten Lärm, suchten nach Verstecken. Ohne dass es den Anschein gehabt hätte, als habe er sich bewegt, war Sean zu mir getreten und hatte mich an den Oberarmen gepackt. »Hören Sie auf damit«, sagte er leise.

    Ich riss erst einen Arm los, dann den anderen. »Vielen Dank für das Bier und die Auskunft«, sagte ich. »Ich werde Sie nicht wieder belästigen.«
    Damit wandte ich mich ab und strebte auf die Tür zu. Ich schaffte zwei Schritte, ehe er mich abermals zu fassen bekam.
    »Nein, Sie hauen verdammt noch mal nicht einfach ab. Regen Sie sich ab und hören Sie mir zu.«
    »Ich möchte gehen.«
    »Und mir ist das scheißegal. Sie sind gerade ziemlich blöd und beleidigend, und Sie werden sich anhören, was ich zu sagen habe, und wenn ich Sie die ganze Nacht hierbehalten muss.«
    Ich holte tief Luft. »Wie zum Teufel kann denn jemand, der so aussieht wie ich, im Fernsehen auftreten«, schrie ich ihm entgegen; jegliche Selbstbeherrschung war dahin. »Ich habe mein ganzes Leben damit zugebracht, zu vermeiden, dass man mich anglotzt, und Sie wollen mich auf die Bildschirme der Leute beamen, damit Wildfremden schon schlecht wird, wenn sie mich nur ansehen. Was zum Teufel haben Sie sich dabei gedacht? Wie können Sie…«
    Und das war’s. Akku leer. Ich glaube, ich hatte bis zu diesem Moment nicht gewusst, was Erschöpfung war.
    »Sind Sie fertig?«, fragte Sean.
    Ich antwortete nicht. Hatte nicht genug Energie für eine Antwort. Ich war fertig.
    »Mit meinen Einschaltquoten ist alles in bester Ordnung«, fuhr er fort. Während meines ganzen Wutanfalls war Sean nervtötend, demütigend ruhig geblieben. »Wir sind nur alle der Meinung, dass ein zweiter Moderator den Reiz der Sendung vergrößern wird. Wenn Sie Bedenken wegen Ihrer Narbe haben – denn mehr als das ist es nicht, wissen Sie, eine Narbe –, dann können wir Sie so filmen, dass man sie nie sieht. Wir können über Ihre Schulter hinweg filmen, von rechts, im Halbprofil. Wir lassen Sie die Aufnahmen sehen und freigeben, ehe wir die fertige Version schneiden.«

    Ich wehrte mich nicht mehr, doch er hielt mich weiter mit festem Griff gepackt.
    »Ich glaube, nach einiger Zeit werden Sie das Ganze sehr viel entspannter angehen, aber das liegt bei Ihnen. Ich biete Ihnen diese Chance, weil Sie approbierte Tierärztin sind und weil Sie Erfahrung im Umgang mit tropischen Reptilien haben. Und, ja, teilweise auch wegen Ihres Aussehens. Ich kann doch unmöglich der einzige Mann auf der Welt sein, der Sie umwerfend findet.«
    Völlige Stille herrschte im Raum. Ich glaube, sogar die Schlangen lauschten.
    … mehr als das ist es nicht, wissen Sie, eine Narbe. Ich kann doch unmöglich der einzige …
    Es war lächerlich. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund machte er sich über mich lustig. Es hatte schlichtweg keinen Sinn, weiterzustreiten. Ich sollte mich einfach umdrehen und gehen. Sein Griff um meine Schultern lockerte sich, und das

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