Schlangenhaus - Thriller
habe mich nie wirklich für Schlangen erwärmen können.«
»Das ist eine Frage des Geschlechts. Nur ein Mann weiß eine Schlange wirklich zu schätzen.«
Ich warf einen raschen Blick zur Seite und war auf ein anzügliches Grinsen oder einen derben freudianischen Scherz gefasst. Sein Gesicht war vollkommen ernst und sein Blick unverwandt auf eine kleine Harlekin-Korallenschlange gerichtet, die sich halb im tiefen Sand eingegraben hatte.
»Schlangenhalter sind unweigerlich Männer«, fuhr er fort. »Ich glaube, wir empfinden Ehrfurcht vor ihrer Macht.«
Das Winden und Ringeln der kleinen Schlange schien Sean beinahe hypnotisiert zu haben. Hätte er nicht weitergesprochen, wäre ich überzeugt gewesen, dass er mich vergessen hatte.
»Und wie sie ihre Beute erlegen, ist einfach unglaublich«, sagte er. »Diese Schnelligkeit und Kraft. Das grenzt schon an ein Wunder. Ihre Beute verschwindet einfach, mit Knochen,
Fell und allem Drum und Dran. Es scheint beinahe, als personifizieren sie den Tod. Und dann werfen sie ihre eigene Haut ab und kommen glänzend und neu wieder zum Vorschein. Wie eine Reinkarnation. Leben und Tod. So fundamental ist das.«
Er drehte sich zu mir um. »Ihnen sind Echsen wohl trotzdem lieber.« Er stichelte, aber nur ganz sanft – es schien ihm eigentlich nichts auszumachen, dass ich anderen, weniger fremdartigen Reptilien den Vorzug gab.
»In freier Wildbahn«, meinte er und warf einen Blick hinter sich, auf den gestreiften Schwanz, der aus dem Sand hervorlugte, »sogar dort, wo ich hinfahre, ist es unglaublich schwierig, eine Schlange zu Gesicht zu bekommen. Sie sind so schnell, so scheu. Nur in Gefangenschaft können wir sie wirklich würdigen. Aber wir durchschauen sie nie.«
»Sie fühlen sich zum Geheimnisvollen hingezogen«, stellte ich fest.
Er sah sich wieder um.
»Immer wieder«, sagte er.
Ich fühlte, wie mein Gesicht warm erglühte. »Wo ist denn der Taipan?«, erkundigte ich mich und sah mich um, als hätte ich ihn vielleicht übersehen.
»Clara die Krötige ist in einem Anbau hinterm Haus. Komischerweise hat jemand gestern Nacht versucht, da einzubrechen.«
»Was?«
»Oh, keine Angst«, fuhr er fort, als er mein erschrockenes Gesicht sah. »Ich bin bestens alarmgesichert. Wer immer das war, ist abgehauen, bevor ich auch nur aus dem Bett raus war.«
»Danke«, sagte ich. »Dafür, dass Sie mir das hier gezeigt haben.«
»War mir ein Vergnügen. Setzen Sie sich.«
Es gab nur zwei Sessel, genau in der Mitte des Zimmers, beide groß, mit Leder bezogen und drehbar. Ein kleiner Tisch
stand zwischen ihnen. Ich stellte mir vor, wie Sean hier saß, wenn der Abend sich herabsenkte, wie er das Meer betrachtete und sich dann herumdrehte, um die sogar noch staunenswertere Kulisse im Zimmer zu genießen. Außerdem ertappte ich mich dabei, wie ich mich fragte, wer wohl für gewöhnlich in dem anderen Sessel saß. Ich ließ mich in das weiche Leder sinken und entdeckte, dass es möglich ist, in Gegenwart eines Mannes nervös zu sein und doch nicht gehen zu wollen. Dann fiel mir ein Zettel auf dem Beistelltisch ins Auge. Ich hob ihn auf.
»Was ist denn das?«
Sean drehte seinen Sessel zu mir herum. »Das ist Ihr Lebenslauf«, antwortete er.
»Ich weiß, was das ist«, schnappte ich ziemlich ungehalten. »Was hat der hier zu suchen?«
»Roger hat ihn mir gemailt«, sagte er. »Aber das ist eigentlich nicht das, was Sie gefragt haben, nicht wahr?«
Ich wartete; mir war klar, dass ich ihn wütend anfunkelte, und ich gab mir auch gar keine Mühe, damit aufzuhören.
»Ehe man uns beide abgeschleppt hat, damit wir uns vor der jeweils zuständigen Polizei verantworten, habe ich Ihnen auf den Anrufbeantworter gesprochen, dass Sie mich anrufen sollen. Ich weiß nicht, ob –«
»Ich habe Ihre Nachricht gekriegt«, unterbrach ich ihn. »Heute Abend. Wieso haben Sie meinen Lebenslauf hier?«
»Ich überprüfe immer den Hintergrund und die Qualifikationen der Leute, bevor ich ihnen einen Job anbiete. Meines Wissens nach ist das das übliche Verfahren bei Arbeitgebern.«
Es dauerte einen Augenblick, bis das durchdrang. »Was denn für einen Job?« Ich musste ihn falsch verstanden haben. »Brauchen Sie jemanden für Recherchen?«
»Na ja, das gehört sicher auch dazu. Aber was ich wirklich brauche, ist eine zweite Moderatorin. Der Regisseur möchte eine junge Frau, und eine approbierte Tierärztin wäre ideal.
Unter anderem beißen die Taipane in Papua-Neuguinea das Vieh. Rinder, Schafe
Weitere Kostenlose Bücher