Schlangenhaus - Thriller
herauszufinden. Snake handling war zu dieser Zeit in einer ganzen Menge Bundesstaaten verboten worden, und wir haben uns gefragt, ob er vielleicht gegen das Gesetz verstoßen hatte, ob er möglicherweise auf der Flucht war.«
»Sie haben Briefe geschrieben«, sagte ich und konnte nicht anders, als einen raschen Blick hinter mich zu werfen. Eine Windbö traf mich voll ins Gesicht. »Und fünf Menschen sind ums Leben gekommen.«
Stancey packte mich an der Schulter. »Wir hatten keine Ahnung, dass das Ganze so weit gehen würde. An dem Abend damals ist alles völlig außer Kontrolle geraten.«
»Das kann man wohl sagen«, pflichtete ich ihm bei und trat zur Seite. »Ist Ihnen klar, dass jeder, der an diesem Abend in der Kirche war, der Beihilfe zum Mord schuldig sein könnte?«
Stancey erstarrte. »Was in aller Welt reden Sie da?«
»Ulfred ist ermordet worden«, sagte ich. »Kein verständiger, klar denkender Mensch könnte ernsthaft glauben, man könnte ihn töten und dann wieder zum Leben erwecken.«
»Ich glaube, Sie haben –« Er hatte sich wieder in Bewegung
gesetzt. Ich machte ebenfalls ein paar Schritte; suchte die Sicherheit der Mauer.
»Ich weiß, Sie und ein paar andere haben versucht, es zu verhindern, aber wie in Gottes Namen konnten Sie es so weit kommen lassen?«
»Clara …«
Ich war rückwärts gegen einen Ginsterbusch getappt. »Sie haben zugelassen, dass ein Schwerbehinderter gefesselt und ertränkt wurde.«
»Was genau hat Ruby Ihnen …«
Stancey kam näher. Um ihn nicht zu berühren, musste ich sehr dicht an die Felskante treten.
»Was haben Sie mit der Leiche gemacht?«, wollte ich wissen. »Liegt er irgendwo auf dem Friedhof? In einem Grab ohne Stein?«
In diesem Augenblick gab der Boden unter meinen Füßen nach. Mir wurde schlecht vor Angst, als ich abrutschte. Tief unter mir hörte ich lose Steine prasseln. Meine Arme schnellten vor und bekamen Percy zu fassen. Mit einer für einen so alten Mann erstaunlichen Kraft hielt er mich fest und taumelte zurück. Einen Moment lang glaubte ich, alles sei verloren, dann fand mein Fuß irgendwo festen Halt, um sich abzustoßen.
Zusammen fielen wir gegen die niedrige Steinmauer. Einen Augenblick lang konnte keiner von uns ein Wort hervorbringen, während wir nach Atem rangen. Ich erholte mich als Erste.
»Vielleicht war das doch keine so gute Idee«, sagte Percy. »Gehen wir zurück zum Auto.«
Wir schritten wieder durch das Tor, während ich mich allmählich wieder beruhigte.
»Als das Feuer ausgebrochen ist, sind die meisten Leute geflüchtet«, berichtete Percy und hielt inne, als ein Hustenanfall ihn überkam. »Ernest Amblin und ich haben es nach vorn geschafft, zu diesem Taufbecken, das sie gegraben hatten. Wir haben Ulfred herausgezogen und ihn losgeschnitten.«
Ich hatte abermals Percys Arm ergriffen. »Und, war er –«
»Er hat nicht mehr geatmet. Ernest konnte keinen Puls finden.«
Ich atmete auch kaum. Ich wagte nicht, ihn zu unterbrechen.
»Ernest hat mir gezeigt, wie ich sein Herz bearbeiten musste. Und er hat ihn von Mund zu Mund beatmet. Ich glaube, heutzutage nennt man das Reanimieren. Und die ganze Zeit über hat die Kirche überall um uns herum gebrannt.«
Ich versuchte, es mir vorzustellen; die Hitze, das Fauchen der Flammen, die Schreie. Percys Hand schloss sich über der meinen.
»Manchmal glaube ich, Liebes, wenn ich in die Hölle komme, dann gibt’s keine Überraschungen mehr«, sagte er. »An diesem Abend habe ich einen Blick darauf geworfen.«
»Haben Sie ihn gerettet?«, brachte ich schließlich heraus.
»O ja. Es hat ein Weilchen gedauert, aber dann hat er mächtig nach Luft gejapst, und das Wasser ist aus ihm rausgelaufen. Wir haben es geschafft, ihn hinauszutragen und ihn nach Hause zu bringen. Sie sehen also, Clara, in gewisser Weise haben wir an jenem Abend tatsächlich einen Mann von den Toten auferstehen lassen.«
»Was ist dann passiert?«
»Walter hat sich um ihn gekümmert, hat dafür gesorgt, dass er irgendwo hingeschickt wurde, ganz diskret. Saul und Harry hat man ruhig, aber bestimmt nahegelegt, sich für einige Zeit einen anderen Wohnort zu suchen. Archie hatte bereits das Weite gesucht; niemand hat ihn jemals wiedergesehen, obwohl er Geld für Reverend Fains Grabstein geschickt hat. Edeline durfte bleiben, Walter zuliebe. Und dann hat niemand je wieder über diesen Abend gesprochen. Ich glaube, eine ganze Menge Leute haben angenommen, dass Ulfred tatsächlich umgekommen ist.«
Ich
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