Schlangenhaus - Thriller
Eimern, Kissenbezügen und großen Tupper-Schüsseln verstaut.
Den Taipan hatte ich seit geraumer Zeit nicht mehr gesehen, und auch nicht den Mann, der mir geholfen hatte, ihn einzufangen. Ich nahm an, dass der eine nach Hause gegangen war und der andere sich in Polizeigewahrsam befand. Mittlerweile war es halb fünf, und es wurde allmählich hell. Just in dem Moment tauchte Matt auf; er kam die Straße herauf, unterhielt sich leise mit dem Sergeant und trug die Kiste mit dem Taipan. Die beiden sahen mich und kamen zu mir herüber.
»Also«, fragte Matt und hielt die Kiste hoch, »was machen wir mit dem Ungeheuer aus Down Under?«
Ohne ein unmittelbares, dringendes Anliegen fiel es mir schwer, ihn anzusehen. Ich konzentrierte mich darauf, die verschiedenen Schlangenbehälter in den Kofferraum meines Wagens zu quetschen.
»Ich bringe die anderen Schlangen zum Little Order. Das ist die Tierklinik, wo ich arbeite«, sagte ich. »Da vergewissere ich mich noch mal, dass es wirklich Ringelnattern sind, und wenn sie gesund sind, können sie alle freigelassen werden.« Dann heftete ich den Blick auf die Transportbox mit dem Taipan; es war leichter, die Kiste anzusehen als Matt.
»Für die da bin ich nicht die Richtige, fürchte ich«, fuhr ich fort, diesmal an den Sergeant gewandt. Seltsamerweise war es auch einfacher, ihn anzusehen. »Wahrscheinlich sollten Sie von einem Reptilienexperten bestätigen lassen, dass es wirklich ein Taipan ist. Wenn ja, kann man vielleicht herausfinden, wo er herkommt. Und dann suchen Sie jemanden, der ihn aufnimmt. Vielleicht will einer von den großen Zoos ihn haben. Der in London wahrscheinlich. Oder eine Privatperson, ein Sammler.«
»Sammler?«, fragte Matt. »Das soll wohl ein Witz sein. Es gibt Leute, die sich diese Viecher als Haustiere halten?«
Ich ging zur Fahrertür des Wagens und antwortete ihm über die Schulter hinweg. »In Australien schon. Obwohl ich es nicht empfehlen würde. Ich habe noch nie gehört, dass jemand in England einen Taipan gehalten hat, aber möglich ist es.«
»Wir hatten gehofft, Sie würden die Schlange nehmen, Miss.« Der Sergeant kam endlich zu Wort. »Bis wir wissen, wohin damit.«
Ich schüttelte den Kopf. »Die Klinik ist nicht für Giftschlangen eingerichtet. Ich kann von meinen Mitarbeitern nicht verlangen, dass sie ein solches Risiko eingehen.« Noch ehe ich zu Ende gesprochen hatte, wurde mir klar, dass ich einen Ort kannte, der für gefährliche Reptilien bestens geeignet war, wo
es Menschen gab, die sich mit Schlangen auskannten. Und dass ich ohnehin vorgehabt hatte, heute dorthin zu fahren. Die beiden Männer starrten mich einen Augenblick lang an, dann nickte Matt.
»Okay«, sagte er. »Ich nehme sie. Was soll ich ihr zu fressen geben?«
»Tun Sie sie in den Kofferraum«, seufzte ich. »Ich bringe sie zu Bekannten.«
Ich öffnete die Fahrertür und ertappte den Sergeant dabei, wie er sich abwandte, um ein Grinsen zu verbergen. Matt ging um den Wagen herum zur Beifahrertür und stieg ein, die Taipan-Kiste auf dem Schoß.
»Was machen Sie denn da?«, fragte ich.
»Mitfahren.«
Nein! Genug! Ich wollte allein sein. »Wozu um alles in der Welt denn das?«
»Es ist fast fünf Uhr morgens, und Sie sehen ziemlich erledigt aus. Ich lasse Sie doch nicht allein mit giftigen Schlangen herummachen.«
»Das ist vollkommen ungefährlich. Die Schlange ist in einer Kiste.« Ich sah mich nach dem Sergeant um und überlegte, ob er mir wohl helfen würde. Er ging schon wieder zum Haus der Poulsons zurück.
»Sie sehen ein bisschen wackelig aus«, stellte Matt fest. »Soll ich fahren?«
Ich ließ den Motor an und fragte mich, was ich eigentlich machen sollte. Ich arbeitete mit wild lebenden Tieren. Ich wohnte am Ende der ruhigsten Straße in dem abgelegensten Dorf, das ich finden konnte. Ich gab mir alle Mühe, die Namen meiner Nachbarn nicht in Erfahrung zu bringen. Meine Einkäufe erledigte ich per Bestellkatalog. Was genau musste ich tun, damit man mich in Ruhe ließ?
»Außerdem«, bemerkte Matt, als wir das Dorf hinter uns ließen, »haben Sie immer noch meine Jacke an.«
Ich beschloss, während der zehn Kilometer langen Fahrt
zum Little Order nichts mehr zu sagen. Wenn es darum geht, zu schweigen, jemand anderes auflaufen zu lassen, darin bin ich Meister, glauben Sie mir. Ich kann abtauchen, zu einem Ort in meinem Kopf flüchten, wo ich so weit von der Welt entfernt bin, dass ich nicht einmal Stimmen höre, die mich direkt ansprechen. Wenn
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