Schlangenhaus - Thriller
leicht zu bekommen.
Und wir haben ViperaTAb in der Klinik. Vielleicht sollte ich was davon mit nach Hause nehmen.«
»Was ist mit dem Kleinen hier?«, wollte Matt wissen und zeigte auf die Kiste.
»Es gibt ein Gegengift für Taipanbisse«, antwortete ich, »aber die Schlangen kommen in sehr entlegenen Gebieten Australiens vor. Also haben sie das Serum da vorrätig. Man müsste es finden, es in eine größere Stadt und von da nach London fliegen lassen. Und es dann per Kurier hierher schaffen. Das würde zu lange dauern.«
Er schwieg einen Moment.
»Wenn also einer von uns heute Nacht gebissen worden wäre, hätte man höchstwahrscheinlich nichts machen können?« , fragte er schließlich.
Ich antwortete nicht, doch er hatte recht.
9
Bei Tagesanbruch waren die Ringelnattern sicher in der Klinik untergebracht. Montagmorgen würden sie wieder freigelassen werden. Ich versprach, das etliche Kilometer vom Dorf entfernt zu tun. Ehe wir gingen, nahm ich eine kleine Packung ViperaTAb aus dem Kühlschrank. Ich würde sie zu Hause aufbewahren. Nur für alle Fälle.
Das Ungeheuer aus Down Under, wie Matt den Taipan anscheinend getauft hatte, befand sich noch immer in meiner Obhut. Ich setzte Matt vor seinem Haus ab, gab ihm seine Jacke zurück und dankte ihm für seine Hilfe. Dann duschte ich kurz, frühstückte, stieg wieder in mein Auto und fuhr los.
Der Aeolus Trust am Stadtrand von Bristol ist ein Wiederansiedlungszentrum für Reptilien. Er wird ehrenamtlich geleitet und ist eine eingetragene Wohltätigkeitsorganisation, die ehemalige Haustiere wie Schlangen, Echsen und Schildkröten aufnimmt, die verletzt sind oder ausgesetzt wurden oder die ihren Besitzern einfach zu groß geworden sind.
Von dem, was Aeolus tat und von den Leuten dort – unbesungene Helden der Veterinärwelt – hatte ich im ersten Semester gehört, und seitdem hatte ich dort ausgeholfen, so oft ich konnte. Unterstützung war etwas, wofür sie bei Aeolus stets dankbar waren, denn zu tun gab es dort genug.
Einmal hatte ich kurz vor Weihnachten in der Spätschicht mitgearbeitet, als eine Bartagame, eine beliebte, in Australien heimische Echse, mit so ziemlich den schlimmsten Verbrennungen gebracht wurde, die ich jemals gesehen hatte. Ihre Besitzer, die es gut meinten, aber nicht die leiseste Ahnung hatten, was ihr neues Haustier brauchte, hatten sie der Wärme wegen
in den Heizungskeller gesetzt. Das Tier war zwischen der Isolierung und dem Boiler stecken geblieben. Als die Besitzer es fanden, war sein Panzer teilweise schon geschmolzen.
Am Empfang schien heute mehr los zu sein, als für einen Samstag üblich war, und ich fragte mich, ob sich die Neuigkeit vom jüngsten Zugang des Zentrums bereits herumgesprochen hatte. Nur wenige Reptilienliebhaber würden sich die Chance entgehen lassen, einen Blick auf die giftigste Landschlange der Welt zu werfen.
Die Tür von Roger Tennants Büro öffnete sich, bevor ich sie ganz erreichte, und er kam mir entgegen. Ich kenne Roger schon lange; er hatte in Edinburgh Vorlesungen gehalten, während ich dort ein Jahr an der Uni war, und er hatte mich damals für Reptilien begeistert. Roger küsste mich auf beide Wangen, das macht er immer. Er meint es gut, aber ich wünschte, er würde das lassen; ich mag es wirklich nicht, wenn andere Leute mein Gesicht berühren. Anstatt mich in sein Büro zu führen, lotste er mich den Flur entlang und in eines der Behandlungszimmer.
Es war ein Raum, in dem ich schon oft gewesen war; zwei Untersuchungstische standen in der Zimmermitte, und eine breite Arbeitsplatte aus Edelstahl zog sich an der Wand entlang. Kopfhohe Schränke säumten die gesamte Länge des Raumes. Arbeitsplatten und Tische waren makellos sauber, Instrumente blitzten, Käfige standen bereit und warteten auf neue Bewohner. Es war ein ganz gewöhnliches tierärztliches Untersuchungszimmer, wenngleich ein wenig groß, ein Raum wie jene, in denen ich während der Woche jeden Tag arbeitete. Abgesehen natürlich von dem großen, verwahrlosten Mann, der (lang ausgestreckt und allem Anschein nach im Tiefschlaf) auf einem der Untersuchungstische lag.
»Aufwachen, Sean, sie ist da.« Mit altmodischer Höflichkeit hatte Roger mir die Kiste mit dem Taipan abgenommen, obwohl sie überhaupt nicht schwer war. Anscheinend fand er überhaupt nichts dabei, einen schlafenden Landstreicher in
seinem Behandlungsraum vorzufinden, sondern trug die Kiste zu dem freien Tisch hinüber und stellte sie ab. Ich konnte sehen, dass
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