Schlangenhaus - Thriller
hierlassen?«
»Natürlich.« Roger betrachtete mich stirnrunzelnd. »Ich weiß nicht, ob wir einen Platz für ihn finden, aber ein Weilchen können wir ihn sicher behalten.«
»Ich nehme ihn«, verkündete North. Roger und ich sahen ihn an.
»Ich habe für den Herbst eine Reise nach Papua-Neuguinea geplant«, erklärte er. »Wenn die Schlange gesund ist und ich das bei den Behörden durchkriege, kann ich sie nach Hause bringen. In der Zwischenzeit ist sie bei mir besser aufgehoben als irgendwo anders.«
»Na ja, das stimmt natürlich, aber bist du sicher?«, wollte Roger wissen. Er klang besorgt. »Das hört sich nach einer Riesenbelastung an.«
»Keine Sorge, Alter«, erwiderte North, doch er sah dabei mich an. »Irgendwas Neues?« Eigentlich hatte ich nichts sagen
wollen. Es war nicht ihr Problem, es war noch nicht einmal mein Problem, aber …
»Das war das Dorset County Hospital«, sagte ich. »Der Mann, der gestern Nacht gebissen worden ist, von einer Schlange, von der ich geglaubt habe, es wäre eine Ringelnatter gewesen …«
»Ja, was ist passiert?«, erkundigte sich Roger. North hatte die Stirn in Falten gelegt.
»Sein Zustand hat sich verschlechtert.«
10
Ich fuhr schneller, als es wirklich ratsam war, besonders in Anbetracht der Tatsache, dass ich letzte Nacht nicht geschlafen hatte, doch von Sean Norths Land Rover vor mir war nichts zu sehen. Er hatte darauf bestanden, mich zu Nick Poulson ins Krankenhaus zu begleiten – das sei überhaupt kein Umweg, hatte er behauptet, er wohne in Lyme Regis –, doch er war mit einer Geschwindigkeit losgebraust, bei der ich nicht mitzuhalten wagte.
Als ich mich der Ausfahrt näherte, fuhr ich langsamer und fragte mich, in welchem Zustand ich Nick Poulson wohl vorfinden würde. Ringelnattern verfügen zwar über Giftdrüsen, doch ihnen fehlt die Fähigkeit, das Gift beim Beißen zu injizieren. Ich hielt es wirklich nicht für möglich, dass Nick infolge eines Ringelnatterbisses erkrankt war; Roger oder Sean North ebenso wenig. Wir waren der Ansicht, dass irgendetwas anderes mit ihm los sein musste.
Oder das, was ihn gebissen hatte, war doch keine Ringelnatter gewesen.
Als ich auf den Parkplatz des Dorset County Hospital fuhr, stand Norths Land Rover auf einem Behindertenparkplatz dicht neben dem Eingang. Ich parkte ordnungsgemäß und stieg aus; insgeheim hoffte ich, er sei schon hineingegangen, hätte vielleicht schon alles geregelt und ich könnte mich still und leise verdrücken. Eher hoffnungs- als erwartungsvoll spähte ich durch das schmutzigste Fenster, das ich jemals bei einem fahrtüchtigen Auto gesehen hatte. North schlief tief und fest. Ich klopfte ans Fenster, und gleich darauf öffnete sich die Wagentür.
»Wieso hat das so lange gedauert?«, fragte er und stieg gequält aus.
»Ich bin seit fast einer Stunde hier«, fauchte ich. »Und warte darauf, dass Sie aufwachen.« Damit ging ich vor ihm her, betrat die Klinik und blieb am Empfang stehen, um herauszufinden, auf welcher Station Nick Poulson lag. Als sich wenig später die Fahrstuhltüren hinter uns schlossen, lehnte North den Kopf mit geschlossenen Augen an die hintere Wand des Aufzugs. Ich überlegte, ob er wohl abermals einschlafen würde; wenn er das tat, würde ich ihn vielleicht einfach dort stehen lassen.
Sowohl die Fahrstuhltüren als auch seine Augen öffneten sich. Wir gingen den Korridor hinunter und trafen im Stationszimmer auf Harry Richards, den Arzt, der mich gerade zum zweiten Mal um Rat gefragt hatte. Er sah aus, als hätte er letzte Nacht sogar noch weniger geschlafen als ich, doch er schien aufrichtig froh zu sein, mich zu sehen und war geradezu entzückt, als ich ihm Sean North vorstellte. Nick Poulson, berichtete er uns, sei es anfangs allem Anschein nach gut gegangen, doch sein Zustand habe sich im Laufe der Nacht zunehmend verschlechtert. Eine Blutuntersuchung war veranlasst worden, doch die Resultate wurden erst in ungefähr einer Stunde erwartet. Nach dem, was mit John Allington passiert war, machte Dr. Richards sich ernsthafte Sorgen um seinen neuen Patienten.
Nick Poulson lag im Bett. Seine Haut war kaltschweißig, sein Gesicht gerötet und seine Augen ein bisschen zu glänzend. Er atmete rasch und flach und sah definitiv unwohl aus.
»Wie geht’s, Kumpel?«, erkundigte sich North. Nick starrte ihn an, während Dr. Richards uns vorstellte. Dann sah Nick mich an.
»Ich hab gehört, Sie haben eine Giftschlange in meinem Haus gefunden«, sagte er. »Eine
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