Schlangenhaus - Thriller
die Hand. »Das sollst du nicht machen«, entschied sie.
»Nein«, pflichtete ich ihr bei. »Wirklich nicht.«
Ich erhob mich, hob den Eulenkäfig auf, und Abigail und ich gingen zurück ins Haus.
14
Mit einem Ruck fuhr ich hoch. Die Bettdecke fiel von mir ab, als ich auf dem Bett kniete, nicht wagte, mich zu bewegen und in den Schatten hinunterstarrte, wo sich eine große, extrem gefährliche Schlange zusammengerollt hatte. Zitternd streckte ich die Hand nach der Nachttischlampe aus und schaltete sie an. Dort war nichts. Ich hatte geträumt.
Okay, tief durchatmen. Wenn ich in Sachen Schlangen derart nervös wurde, wie in aller Welt kam dann erst der Rest des Dorfes damit zurecht? Während ich gerade anfing, mir ziemlich blöd vorzukommen, schaute ich auf die Uhr. Fast drei Uhr morgens, was bedeutete, dass der Wecker ohnehin gleich klingeln würde. Futterzeit.
Noch immer müde, stand ich auf. Gestern Abend war ich spät nach Hause gekommen. Dad hatte mich gebeten, über Nacht zu bleiben, doch ich hatte irgendetwas von schwer kranken Patienten in der Klinik gemurmelt. Das Glas auf dem Nachttisch musste neu gefüllt werden, also nahm ich es mit. Als ich durch die Tür ging, griff ich automatisch nach meinem Bademantel, dann jedoch überlegte ich es mir anders. Die Luft war schwül und die Nacht für die Jahreszeit zu warm. Sehnsüchtig dachte ich an die Tage, wenn es nicht mehr meine Aufgabe sein würde, die jungen Eulen zu atzen, und ging über den breiten Flur, der gleichzeitig als mein Arbeitszimmer diente.
Jemand war hier gewesen. Ein paar Dinge waren nicht an ihrem Platz.
Meine Tastatur ist immer eine Handspanne von der Kante meines Schreibtischs entfernt, heute Nacht jedoch betrug der Abstand kaum drei Zentimeter. Und sie stand nicht gerade.
Auch meine Aktenablage war verschoben worden, sie stand ein klein wenig weiter links als sonst.
Ich drückte die Tür des Gästezimmers auf und machte das Licht an. Hier konnte ich nichts entdecken, was nicht an Ort und Stelle gewesen wäre.
Vielleicht war ich bei allem, was hier los war, in letzter Zeit weniger ordentlich gewesen als üblich. Ich ging die Treppe hinunter. Die Küken machten einen Heidenradau, als ich die Tür aufzog, die in die kleine Küche führte. Es war eine wolkenlose Nacht, und mattes Mondlicht fiel durch das Küchenfenster und wurde von den weiß getünchten Wänden zurückgeworfen.
Daher war die dunkle Gestalt eines älteren Mannes nicht zu übersehen, der neben dem Küchentisch stand und auf meine Eulenküken hinabblickte. Das Glas fiel mir aus der Hand und zerschellte auf dem Fliesenboden. Der Eindringling beachtete mich nicht; er schien das Klirren des Glases nicht gehört zu haben, sondern griff einfach in den Käfig. Unfähig, mich von der Stelle zu rühren, sah ich zu, wie er einen der Vögel hochhob. Er hob das Küken an sein Gesicht und schien daran zu schnüffeln, und einen Augenblick lang dachte ich, er würde es verschlingen.
Bis jetzt, glaube ich, war ich mehr schockiert als erschrocken gewesen. Doch allmählich wurde mir die Lage bewusst. In meinem Haus war ein Mann, mitten in der Nacht. Wir hatten Ende Mai, und höchstwahrscheinlich war er nicht der Weihnachtsmann.
Ich begann, mich rückwärts zu schieben. Der Mann legte das Eulenküken wieder hin und beugte sich über den Käfig. Ich konnte ihn vor sich hinmurmeln und grunzen hören, konnte jedoch keines der Worte verstehen; ich war mir nicht einmal sicher, ob er Englisch sprach. Dann schätzte ich die Entfernung falsch ein, die ich bereits zurückgelegt hatte, und stieß mit voller Wucht gegen das Fenster meines Esszimmers. Der Vorhang verschob sich, und ein schmaler Lichtstrahl
schien durchs Zimmer auf den Küchentisch. Der Mann bemerkte ihn und blickte auf. Das Mondlicht fiel auf sein Gesicht, und er war keine undeutliche Gestalt mehr. Ich konnte ihn fast deutlich erkennen. Und meine Furcht verwandelte sich in nacktes Entsetzen. Ich sah einen Toten vor mir.
Und er kam geradewegs auf mich zu. Über den Dielenboden, war nur wenige Meter entfernt. Ich machte kehrt und floh, ehe ich noch recht überlegt hatte, wohin ich mich wenden sollte. Zur Haustür zu laufen, war sinnlos – sie war abgeschlossen, ich würde sie niemals rechtzeitig aufkriegen, und der Gestank des Eindringlings hatte mich bereits eingeholt. Mit einem Satz sprang ich zur Treppe; ich schaffte vier Stufen, dann wurden mir die Beine unter dem Leib weggezogen. Hart schlug ich hin, und es tat höllisch weh.
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