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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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war.
    »Globale Erwärmung«, meinte mein Schwager, der Vanessa wahrscheinlich auch nicht allzu aufmerksam zugehört hatte. »Hat ’ne ganze Menge angerichtet. Wie war’s denn bis jetzt? Wir hatten den heißesten April seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Der Mai wird anscheinend genauso. Und jetzt ist die Population schlagartig angestiegen. Die Viecher kriechen überall rum.«

    »Wovon redest du eigentlich?«, wollte ich wissen.
    »Von Schlangen«, antwortete er und sah mich heftig blinzelnd an. »Ich dachte, das tun wir alle.«

    »Tante Clara?«
    »Ja, Bohnenstange?« Ich hatte das Mittagessen überstanden. Meine jüngste Nichte und ich saßen im Schatten der Apfelbäume in Dads ummauertem Garten und fütterten die Eulenküken. Hin und wieder schüttelte eine Brise die Bäume, und ein Konfettiregen aus weißen Blütenblättern rieselte um uns herum wie ein duftender Schneesturm. Durch das breite, schmiedeeiserne Tor konnten wir Schwäne auf dem Fluss vorbeiziehen sehen.
    »Mein Taillenumfang ist fünfundvierzig Zentimeter«, verkündete meine Nichte empört. Sie beugte sich vor und hielt vorsichtig eine tote Maus mit einer Pinzette fest. Abigail tat bei jeder sich bietenden Gelegenheit ihre Absicht kund, Tierärztin zu werden, genau wie Tante Clara – ich hegte den Verdacht, dass ihr bereits klar war, wie sehr sie ihre Muter damit auf die Palme brachte –, aber die Sache mit der Nahrungskette machte ihr ein bisschen zu schaffen.
    »’tschuldigung – Bohnenbalken«, verbesserte ich mich und sah zu, wie der Wind die Locken um ihr Gesicht anhob. Abigails Haar ist von einem satten, glänzenden Braun, genau wie meins, und sie trägt es lang. Genau wie ich.
    »Darf ich dich was fragen?«
    »Jep.«
    »Mummy sagt, ich soll’s nicht tun.«
    Ich zögerte ein wenig. »Na ja, das musst du selbst entscheiden«, sagte ich schließlich.
    »Also, darf ich?«, wiederholte Abigail, ohne auch nur einen Augenblick nachzudenken.
    Ich beugte mich über den Käfig. Sie konnte mein Lächeln nicht sehen. »Ja, du darfst. Ich sag’s auch nicht weiter.«
    »In den Nachrichten hab ich was über Gesichtstransplantationen
gesehen. Und ich hab überlegt, ob du so was auch machen könntest.«
    Die Küken beruhigten sich ein wenig. Ich hob eines aus dem Käfig und setzte es behutsam auf Abigails ausgestreckte Hand. In gut einer Woche würden sie Bekanntschaft mit ihren Pflegeeltern schließen, und jeglicher Kontakt mit Menschen würde ein Ende haben. Ein paar Sekunden in der Hand eines kleinen Mädchens würden nicht schaden, dachte ich. »Mir macht es nichts aus, wie du aussiehst«, beteuerte Abigail hastig; ihr achtjähriges Gehirn verarbeitete bereits, ob Mummy möglicherweise doch recht gehabt hatte. »Es ist nur, ich dachte, es wäre vielleicht schöner für dich …« Ihre Stimme erstarb.
    »Na ja, schöner wäre es schon«, antwortete ich langsam, weil ich auf so etwas wirklich nicht gefasst gewesen war. »Aber bei mir geht das noch nicht, fürchte ich.«
    »Warum nicht?«
    »Also, ich hab mir das mal kurz angeschaut«, erklärte ich und fragte mich insgeheim, ob stundenlanges Studieren jedes Internet- und Zeitschriftenartikels, den ich hatte auftreiben können, als »mal kurz anschauen« zählte. »Du weißt doch, bei jeder Transplantation besteht immer das Risiko, dass der Körper das transplantierte Organ abstößt und man es wieder rausnehmen muss, nicht wahr?«
    »Ja-a-a«, antwortete sie.
    »Deshalb macht man Transplantationen normalerweise auch nur, wenn man sie für unbedingt notwendig hält.«
    »Aber der Mann in den Nachrichten hatte doch …«
    »Ja, das stimmt«, unterbrach ich sie, nahm ihr das Küken ab und setzte es vorsichtig wieder in den Käfig. »Aber sein Gesicht war auch ganz schlimm kaputt. Viel schlimmer als meins. Er konnte nicht essen und nicht sprechen. Und trotzdem war es sehr riskant. Er wird für den Rest seines Lebens ganz viele Medikamente nehmen müssen, damit sein neues Gesicht nicht abgestoßen wird. Bei dieser Art von Arznei besteht ein großes Risiko, dass Leber oder Nieren versagen, und
trotzdem wirkt sie vielleicht nicht. Es könnte sein, dass sein Körper das Transplantat trotzdem nicht annimmt.«
    »Was würde dann passieren?«
    Ich wollte nicht darüber nachdenken, was dann passieren würde. Die neue Haut würde sich schwarz verfärben, würde schließlich einfach abgestoßen werden.
    »Man müsste es wieder abmachen. Er wäre schlimmer dran als vorher.«
    Abigail drückte mir ganz fest

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