Schlangenhaus - Thriller
ziemlich unkonventioneller Typ, und ich glaube nicht, dass die ihn für sehr vertrauenswürdig halten. Anscheinend sind sie früher schon ein paar Mal mit ihm aneinandergeraten – da sind irgendwelche Schlangen aus seinem Haus ausgekniffen, so was in der Art.«
Die Sandwiches, die ich gerade gegessen hatte, fühlten sich in meinem Magen allmählich zentnerschwer an. »Und nach gestern Nacht halten Sie mich wahrscheinlich auch nicht mehr für allzu vertrauenswürdig.«
»Wir müssen wohl abwarten, was der Coroner sagt. Aber die inoffizielle Rückmeldung lautet, dass er Ihre Theorie mit der Giftkonzentration für höchst subjektiv hält. Er hat auch ein bisschen zu dem Thema gelesen. Anscheinend sind unerwartete Todesfälle nach Vergiftungen nichts völlig Außergewöhnliches. Und John Allington war ja wirklich schon fast siebzig.«
»Ich verstehe.« Insgeheim fragte ich mich, warum die Schinkensandwiches sich in meinem Innern zu Knoten verschlangen. Ich hatte nichts mit all dem zu tun haben wollen. »Sally, kann ich Sie etwas fragen?«
»Schießen Sie los.«
»Erinnern Sie sich noch an die Witchers? An Walter und Edeline?«
»Sicher.« Sie legte bei meinem plötzlichen Themawechsel die Stirn in Falten, machte ihn aber mit. »Ich habe ein paar Mal versucht, sie zu besuchen. Ich war wirklich nicht einverstanden mit den Zuständen, in denen sie anscheinend gehaust haben. Aber ich bin nie weiter gekommen als bis zur Haustür.«
»Ich erinnere mich an Edelines Beerdigung im letzten November, aber nicht an die von Walter. Wissen Sie vielleicht mehr darüber?«
»Er ist letzten Herbst gestorben, nicht wahr?«
Ich nickte. »Irgendwann im September, glaube ich.«
»So aus dem Stand weiß ich nicht… war da nicht irgendwas, von wegen, sein Leichnam wäre für die Forschung bestimmt?«
»Ja. Aber ich hätte doch einen Gedenkgottesdienst oder so etwas erwartet, Sie nicht?«
Sally lehnte sich ans Spülbecken. »Clara, um was geht’s hier eigentlich?«, fragte sie, genauso, wie ich es mir hätte denken sollen.
Ich hatte wirklich nicht darüber reden wollen. Aber Sally würde nicht lockerlassen.
»Gestern Nacht«, begann ich und dachte bei mir, dass mein Ruf, reichlich verschroben zu sein, im Begriff war, hoch zehn genommen zu werden, »hat die Polizei gefragt, ob ich den Mann in meinem Haus erkannt hätte.«
»Und, haben Sie ihn erkannt?«
»Ich habe Nein gesagt. Ich habe gesagt, es sei dunkel gewesen, er sei gleich wieder verschwunden und ich könnte es wirklich nicht genau sagen.«
»Aber das hat nicht ganz gestimmt?«, soufflierte Sally.
Ich schüttelte den Kopf. Es hatte überhaupt nicht gestimmt; ich hatte den Einbrecher sofort erkannt. »Ich glaube, es war Walter«, sagte ich verlegen und machte mich innerlich darauf gefasst, dass Sally mir ans Herz legen würde, bei einem Arzt vorbeizuschauen. Sie sagte nichts dergleichen. Und dieser Ausdruck auf ihrem Gesicht war keine Verblüfftheit. Ebenso wenig schien es Sorge um meinen Geisteszustand zu sein. Sie sah aus, als ob sie mir am Ende tatsächlich Glauben schenkte.
»Wieso sind Sie nicht überrascht?«, wollte ich wissen und fragte mich, warum ich mich jetzt, wo ich ernst genommen wurde, gar nicht besser fühlte.
Sie schien sich innerlich zu schütteln. »Oh, ich bin überrascht«, versicherte sie. »Nur nicht… ganz.«
»Sie haben ihn auch gesehen?«
»Nein, nein. Es ist nur, in der Klinik hat es Gerede gegeben.«
»Was denn für Gerede?«
»Dummes Gerede. Eigentlich nur irgendwelche Kids. Da gibt es eine Gang, die immer im unteren Teil des Dorfes rumhängt, in der Nähe von der alten Kirche und von dem Haus der Witchers. Wir haben den Verdacht, dass die für den größten Teil der Probleme, die wir zur Zeit haben, verantwortlich sind, deshalb haben wir ein Auge auf sie. Einer oder zwei von denen sind mit komischen Geschichten nach Hause gekommen. Sie wissen ja, wie das ist, wenn Häuser länger leer stehen. Da heißt es dann immer, da würde es spuken und …«
»Sie haben Walter gesehen?«
Sally machte ein unbehagliches Gesicht. »Sie haben gesagt, sie hätten Walters Geist gesehen.«
Die Sonne musste genau in diesem Moment hinter eine Wolke gekrochen sein, denn das Licht in meiner Küche schien plötzlich um ein Winziges schwächer zu werden.
»Das, was ich gestern Nacht gesehen habe, war kein Geist«, sagte ich und fragte mich, wen ich zu überzeugen versuchte. Er hatte mich angefasst. Mit einer Hand, die sich tot angefühlt hatte. »Er
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