Schlangenhaus - Thriller
den Hügel hinauflief, wurde auf beiden Seiten von dichtem Wald gesäumt. Man konnte das Haus erst sehen, wenn man es schon fast erreicht hatte. »Also kommt man von hinten nicht heran?«
»Es sei denn, man ist Bergsteiger. Diese Hecke zieht sich auf beiden Seiten bis zu dem Steilhang hin. Ich bin ein paar Mal um das Grundstück herumgegangen, als die Dorfidioten angefangen haben, ihre Gespenstergeschichten zu erzählen. Da führt kein Weg rein oder raus, außer durch dieses Tor.«
»Ich habe wirklich jemanden gesehen«, beteuerte ich, gereizt wegen seiner Bemerkung über die Dorfidioten, und fragte mich insgeheim, ob er damit auch mich meinte.
»Wollen wir mal nachsehen?«
»Was?«
»Ist die einzige Möglichkeit, sicherzugehen, dass der alte Saul Witcher sich nicht da drinnen eingenistet hat und langsam ganz verschlagen und bösartig wird.«
»Sie haben doch gesagt, man kommt da nicht rein.«
Matt grinste mich an und zog einen kleinen Schlüsselbund aus der Jackentasche. Er hantierte damit herum, bis er einen kleinen silbernen Schlüssel mit rechteckigem Kopf fand. Dann schob er ihn in das Vorhängeschloss. Der Schlüssel drehte sich, und das Schloss sprang auf.
»Jetzt schon«, verkündete er.
21
Alles andere als überzeugt, aber neugieriger, als ich hätte zugeben mögen, folgte ich Matt Richtung Haus. Auf halber Strecke blieb er stehen, und ich holte ihn ein.
»Ich bin in diesem Dorf aufgewachsen«, sagte er. »Als Kind bin ich immer hergekommen und habe mich mit Walter unterhalten. Ich hatte ganz vergessen, wie schön dieser Garten ist.«
Ich war noch nie in dem Garten gewesen, hatte ihn immer nur vom Tor aus bewundert, doch er hatte recht. Es war ein klassischer englischer Landhausgarten, in dem sich Pflanzen aller Arten und in allen Farben drängten und auf einem Areal um Raum kämpften, das durchaus nicht klein war. Frühe Rosen blühten überall, klommen an Hecken empor, bedeckten Spaliere, klammerten sich sogar wie Parasiten an Bäume.
In einer Ecke hatte jemand eine Grotte aus Feldsteinen errichtet. Laternen und kleine Statuen standen in Ecken und Nischen, und in der Mitte trat eine kleine Quelle zutage, deren Wasser das abschüssige Gelände hinabrann. Der Bach wand sich um uralte Eiben und riesige alte Wacholdersträucher.
Die alten Steinplatten des Weges waren von kleinen, bodendeckenden Pflanzen überwuchert, die wir beim Gehen zertraten. Ich glaubte, den süßen, zitronenähnlichen Geruch von Thymian aufzufangen. Matt ging in die Hocke und rieb mit der Hand über irgendetwas am Wegesrand, dann hielt er sie sich vors Gesicht und atmete tief ein. Wieder fuhr er mit der Hand darüber und streckte sie mir dann hin.
»Das habe ich immer gemacht, als ich klein war«, sagte er. »Der schönste Geruch der Welt.«
Ich lehnte das Gesicht seiner Hand entgegen und atmete ein. Etwas Süßes, Leichtes, angenehm Vertrautes. »Kamille«,
sagte ich nach kurzem Zögern. Außerdem konnte ich Zitrus auf Matts Haut riechen – vor einiger Zeit hatte er eine Orange geschält –, doch das sagte ich nicht.
Näher am Haus befand sich ein kleiner Obstgarten. Der Wind hatte die meisten der späten Blüten von den Zweigen geschüttelt, und sie lagen auf dem Boden wie Hochzeitskonfetti.
»Haben Sie die Kette am Tor angebracht?«, wollte ich wissen. »Hatten Sie deshalb einen Schlüssel?«
»Sagen wir einfach, ich kenne den Mann, der es getan hat. Walter war Gärtner, wissen Sie«, erwiderte Matt. »Hat die meiste Zeit seines Lebens auf dem Grundstück vom National Trust hier in der Gegend gearbeitet.«
Wir gingen weiter und erreichten das Haus. Alle Fenster im Erdgeschoss waren mit Holzplatten vernagelt. Zwei der vier Türen waren zugemauert worden, die beiden anderen sahen ziemlich stabil aus. Ich war versucht, zu wiederholen: »Da führt kein Weg rein oder raus«, wusste aber nicht recht, wie Matt darauf reagieren würde. Er betrachtete das Haus, die alten Steinmauern mit dem abbröckelnden Putz, den Blauregen, der im Obergeschoss seine Blüten fallen ließ, das dringend reparaturbedürftige Strohdach. Er sah aus wie ein Bergsteiger, der sich anschickt, eine Felswand zu erklimmen.
»Ich habe da gestern eine Geschichte gelesen«, sagte er, »von einem Paar, das in Tansania durch den Busch gefahren ist und eine schwarze Mamba überfahren hat. Der Gefährte der Schlange hat sie verfolgt, hat das Auto eingeholt und Fahrer und Beifahrerin getötet.«
Aus langjähriger Erfahrung weiß ich, wann mich jemand
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