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Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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ausgesehen, als ob sie sich geprügelt hätten. Blaue Augen, Beulen. Und es war nicht nur das. Er hat auch andere Sachen gemacht. Schmutzige Sachen.«
    Ich sah Sally an. Sie zuckte kaum merklich die Achseln. Violet schien sich inzwischen eindeutig unbehaglich zu fühlen. Ich beschloss, dass es keinen Sinn hatte, hier weiter nachzuhaken; ich hatte eine ziemlich klare Vorstellung davon, was »schmutzige Sachen« bedeutete.
    »Und was haben sie für ihn getan? Haben sie dafür gesorgt, dass ihm geholfen wurde?«, fragte ich und wusste dabei, dass Hilfe für Menschen, die ernsthaft für besessen gehalten wurden, im Allgemeinen nur eine einzige Form annahm.
    »Ich wusste es nicht genau. Ich habe nur hier und da mal was gehört.«
    »Ich verstehe. Was haben Sie denn gehört?«
    »Es hieß, sie hätten ihn festgeschnallt und ihn hungern lassen. Tagelang, sogar wochenlang.«
    »Ach, das kann doch sicher nicht sein«, wehrte Sally ab, die aussah, als hätte sie genug gehört.

    Ich warf ihr einen Blick zu, dann wandte ich mich wieder an Violet. »Ich kann verstehen, dass er gebändigt werden musste«, meinte ich, »besonders, wenn er gewalttätig geworden ist. Aber warum hungern? Was hätte das denn bewirken können?«
    »Das hat ihnen beim Beten geholfen, haben sie gesagt«, antwortete Violet. »Sie sind alle in das Haus gegangen – oder manchmal haben sie ihn auch in die Kirche gebracht –, der Reverend und ein paar von den anderen. Von denen hat auch keiner was gegessen, und sie haben mit ihm gebetet, stundenlang, und versucht, den Dämon auszutreiben. Aber anscheinend hat es nie funktioniert, denn Tage später hat man Ulfred dann herumhinken sehen, immer noch genauso wie vorher, aber mit ganz aufgeschürften, blutigen Handgelenken.«
    »Ach, das ist doch lächerlich, das ist völliger Unsinn.« Mit Sallys Geduld hatte es ein Ende. »Er war nicht besessen, er war krank. Er hätte ins Krankenhaus gehört.«
    »Ich weiß, Liebes«, beteuerte Violet. »Mir kam das auch nicht richtig vor. Aber der Reverend und so viele von den Männern, so viel älter als ich. Sie schienen sich alle so sicher zu sein. Was hätte jemand wie ich denn tun können?«
    »Und Walter hat das mitgemacht?«, wollte Sally wissen.
    »Ich weiß nicht. Es hieß, er und der Prediger hätten Streit gehabt. Aber seine Brüder und seine Frau waren auf der Seite von dem Reverend. Und eine Menge von den Leuten aus dem Dorf auch. Was sollte er machen?«
    »Dieser Reverend gehört abgeknallt.«
    »Er ist in dem Feuer umgekommen. Sein Grab ist auf dem Kirchhof. Violet, das ist wirklich wichtig.« Ich beugte mich zu ihr. »Wissen Sie, wo Ulfred jetzt ist?«
    Violet seufzte und bedachte mich mit einem Kopfschütteln. »Er ist tot, meine Liebe. Schon sehr lange. Ertrunken, glaube ich, haben sie gesagt. Im Fluss ertrunken. Ich konnte nicht anders, ich war erleichtert, als ich das gehört habe. Um unseretwillen, aber vor allem um seinetwillen. Der Arme.«
    Ich fühlte, wie die Luft aus mir entwich. Ein Hauptverdächtiger
war aufgetaucht – und schied prompt wieder aus. Plötzlich wurde mir bewusst, wie spät es war, und ich schaute hastig auf die Uhr. Selbst wenn ich fuhr wie eine Irre, würde ich zu spät kommen. Ich entschuldigte mich bei Violet und versprach ihr, morgen wieder vorbeizuschauen. Sally begleitete mich zur Tür.
    »Matt hat mir das von Ihrer Mutter erzählt, Clara. Es tut mir sehr leid. Ich hoffe, es war nicht unerwartet.«
    »Vielen Dank«, murmelte ich. »Sie war schon sehr lange krank.«
    Toll. Gerade als ich anfing, mich in Sallys Gegenwart einigermaßen wohlzufühlen, würde sie alles verderben. Sie würde anfangen, vorbeizukommen, sich erkundigen, wie es mir ging, mich zum Abendessen einladen, erwarten, dass ich mich ihr anvertraute. Ich war schon so vielen Sallys begegnet. Wie aufs Stichwort sagte sie: »Warum kommen Sie nicht nachher vorbei, und wir essen was?«
    »Das ist wirklich nett«, erwiderte ich und zerrte an der Tür. »Aber ich komme erst spät zurück.« Ich zog die Tür auf und ging hinaus, strebte auf meinen Wagen zu und stieg ein, ohne mich umzusehen. Als ich davonfuhr, empfand ich einen Augenblick lang Reue, weil ich so unhöflich gewesen war. Sally hatte das wirklich nicht verdient. Aber auf lange Sicht war es so wahrscheinlich am besten.
    Außerdem gab es da jemanden, mit dem ich über eine Schlange reden musste.

26
    Ich kam um die Kurve, und die Straße senkte sich auf Lyme Regis zu. Es war kurz vor neun, und die Sonne stand

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