Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlangenhaus - Thriller

Schlangenhaus - Thriller

Titel: Schlangenhaus - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
Vom Netzwerk:
Mühe brachte ich es fertig, nicht wieder wegzuschauen. Jetzt benahm ich mich wie ein Teenager, der gerade seinem Lieblingsrockstar vorgestellt worden war. Ich zog den Umschlag unter
dem Arm hervor und hielt ihn ihm hin. Nach kurzem Zögern nahm er ihn, öffnete die Klappe und griff hinein.
    »Wo haben Sie das gefunden?«, fragte er, während er die Schlangenhaut herauszog und sie ins schwindende Licht hielt.
    »In einem alten Haus in unserem Dorf«, antwortete ich. »Sie ist hundertfünfundzwanzig Zentimeter lang. Ich hab dreimal nachgemessen, um völlig sicher zu sein. Ich habe mich gefragt, ob sie von …«
    »Nein.«
    »Was nein? Das ist keine Taipanhaut?«
    »Nicht von unserem Taipan. Unsere Freundin – ich habe sie übrigens Clara genannt, hoffe, das ist okay – misst hundertsiebzehn Zentimeter. Sie waren doch dabei, als Roger sie gemessen hat, wissen Sie noch? Wenn sie also nicht geschrumpft ist – und das ist mir noch nie untergekommen –, dann hat sie das hier nicht abgeworfen.«
    Die Sonne war hinter dem Horizont versunken und hatte nur einen goldenen Teich auf der Meeresoberfläche zurückgelassen. Noch während ich hinsah, schrumpfte er, zusammen mit meiner kläglichen Hoffnung, dass bei uns im Dorf nicht noch ein tödlicher Killer frei umherkroch. Sean, dessen war ich mir ziemlich sicher, sah mich immer noch an.
    »Ich wäre wirklich froh, wenn Sie mir sagen, dass diese Haut von einer anderen Spezies stammt«, sagte ich schließlich. »Von irgendetwas Harmlosem. Und am liebsten, dass sie mehrere Jahre alt ist.«
    »Das hier ist ziemlich frisch«, meinte er. »Und wenn Sie die Haut in einem alten Haus gefunden haben, ist sie wahrscheinlich sehr frisch. Wenn sie länger herumgelegen hätte, wäre sie gefressen worden.«
    Er hatte recht. Ich fühlte mich ausgelaugt, als hätten Worte allein die Macht, mich zu erschöpfen.
    »So aus dem Ärmel und bei diesem Licht kann ich Ihnen nicht sagen, ob sie von einem Taipan stammt. Dafür müsste
ich sie mir genau ansehen, mir Zeit nehmen. Alles, was ich im Moment sagen kann, ist, es könnte sein. Wenn Sie sie mir nicht dalassen können, warum kommen Sie dann nicht wieder, wenn Sie mehr Zeit haben?«
    »Nein. Natürlich kann ich sie hierlassen. Ich wäre Ihnen wirklich dankbar, wenn Sie sie sich ansehen.« Einen Augenblick lang saßen wir da und sahen zu, wie das goldene Licht am Horizont flimmerte und verschwand. Sonnenuntergänge haben immer die Macht, mich zu rühren, doch dieser hier hatte etwas an sich, das fast unerträglich traurig war.
    »Wie lange könnte ein Taipan in diesem Klima am Leben bleiben? Wie lange wäre er gefährlich?«, fragte ich.
    Sean schien darüber nachzudenken. »Normalerweise überhaupt nicht lange«, meinte er nach einiger Zeit. »Ich würde davon ausgehen, dass eine entkommene Tropenschlange innerhalb von vierundzwanzig Stunden einschläft und dann einfach nicht mehr aufwacht. Selbst bevor sie umkippt, hätte sie wahrscheinlich nicht mehr genug Energie, um zu jagen. Es wäre zu kalt.«
    »Dann brauchen wir uns also keine Sorgen zu machen? Selbst wenn noch eins von den Viechern bei uns im Dorf rumkriecht?«
    »Im Grunde ja.«
    »Aber …«
    »Dieser Frühling war sehr viel wärmer als üblich. Eine Schlange könnte ein paar Tage lang wach bleiben. Und sogar eine schläfrige, unterkühlte Schlange wird sich zur Wehr setzen. Sie wäre trotzdem noch gefährlich.«
    Einen Moment lang verstummten wir, während ich mich bemühte, nicht an pummelige Beinchen zu denken, die durchs Unterholz rannten, an einen kleinen Fuß, der auf eine schläfrige – aber ungemein tödliche – Schlange trat.
    Dann legte sich eine warme Hand auf meine Schulter, so dass der Knöchel des kleinen Fingers gerade eben die Haut meines Halses streifte, und Sean deutete an mir vorbei, auf
eine Landzunge ungefähr anderthalb Kilometer östlich von uns.
    »Sehen Sie die Felsformation da drüben, die, die so ein bisschen pilzförmig aussieht?«
    Ich nickte, war mir seines Körpers bewusst, der sich dem meinen entgegenneigte, seines vertrauten Geruchs nach Natur und frischer Luft.
    »Da ist der berühmte Vulkan von Lyme.«
    Ich drehte den Kopf, um ihn richtig anzusehen.
    Er lächelte. »Wie? Sie haben noch nie von dem Vulkan von Lyme gehört?«
    »Oh, gehört habe ich davon. Ich habe bloß immer gedacht, er gehöre in die Welt der Märchen und Sagen.«
    »Das war ein Fehler. Den Vulkan von Lyme gibt es wirklich. Ich erzähle Ihnen mal eine Geschichte.«
    Er lehnte sich

Weitere Kostenlose Bücher